Zwischen Feuer und Zeit – Zu Besuch bei Johannes Freiherr von Gleichenstein

Zwischen Feuer und Zeit – Zu Besuch bei Johannes Freiherr von Gleichenstein



Zwischen Feuer und Zeit – Zu Besuch bei Johannes Freiherr von Gleichenstein

Ein Gespräch über Burgunder, Familie und die Kunst, Tradition in die Zukunft zu führen.

Der Kaiserstuhl ist eine Landschaft, die Geschichten erzählt. Geschichten von Feuer, das einst den Boden geformt hat, von Wind und Sonne, von Zeit und Geduld. Wer hier unterwegs ist, spürt sofort, dass Weinbau mehr ist als Landwirtschaft: Es ist ein Lebensgefühl, ein Vermächtnis – und manchmal ein leises Gespräch zwischen Mensch und Natur.

Einer, der dieses Gespräch seit vielen Jahren führt, ist Johannes Freiherr von Gleichenstein, Winzer in elfter Generation. Sein Weingut in Vogtsburg-Oberrotweil liegt an einem Ort, an dem Geschichte und Gegenwart selbstverständlich ineinandergreifen. Als ich Johannes dort zum Vorgespräch traf, fiel mir auf, wie viel Ruhe und Klarheit er ausstrahlt. Und genau das findet man auch in seinen Weinen wieder.

„Heimat ist da, wo man sich am wohlsten fühlt.“

Wenn Johannes über den Kaiserstuhl spricht, wird schnell deutlich, wie tief seine Verbundenheit ist. „Heimat ist da, wo man sich am wohlsten fühlt“, sagt er – und beschreibt eine Region, in der andere Urlaub machen, in der Wärme, Gastfreundschaft und eine außergewöhnliche kulinarische Kultur zu Hause sind.

Gleichzeitig ist ihm bewusst, dass ein historischer Familienbetrieb auch Last bedeuten kann. Doch Johannes wählt einen anderen Blick: „Der Hof hat den Dreißigjährigen Krieg überlebt, zwei Weltkriege und unzählige Krisen. Das entlastet. Jede Herausforderung ist zu bewältigen.“

Es ist diese Gelassenheit, die seine Arbeit prägt.

Tradition weiterdenken – nicht bewahren um jeden Preis

Johannes’ Vater war es, der den früheren Zehnthof zu einem reinen Weingut entwickelte. Johannes selbst setzte anschließend seine eigenen Akzente: Fokussierung auf Burgunder, klare Qualitätsstufen, weniger Sorten, mehr Wiedererkennbarkeit.

„Ich kann nur das vermarkten, was mir selbst schmeckt“, sagt er offen. Müller-Thurgau, Nobling oder Silvaner passten nicht in seine Vision. Burgunder dagegen – Weiß, Grau und Spät – bilden heute das Herz des Weinguts.

Auch in der Mitarbeiterführung zeigt sich seine Handschrift. „Der Weg zum Chef muss offen sein. Aber die Leute brauchen Freiheiten. Sonst können sie sich nicht entfalten.“ Johannes führt durch Zuhören, nicht durch Anweisungen – und das merkt man dem Betrieb an.

Zeit als Schlüssel – im Wein wie im Leben

Vielleicht ist dies der stärkste Faden, der sich durch unser Gespräch zieht: der Wert der Zeit.

Weine liegen zwei Jahre auf der Vollhefe, werden spät gefüllt und noch später verkauft. „Wir geben jedem Wein die Zeit, die er braucht. Und das zahlt er uns zurück.“

Diese Geduld ist spürbar – im Weißburgunder vom Winklerberg, der trotz Wärme kühl und salzig wirkt; im Grauburgunder vom Henkenberg, der Struktur und Tiefe zeigt; und besonders im Spätburgunder Baron Philipp, einem Wein von stiller Größe, reif und nachdenklich.

Johannes lächelt, als er sagt: „Mit einem Wein wie dem Baron Philipp kannst du im Glas eine Reise machen.“

Blick nach vorn – Wandel als Chance

Der Weinbau steht vor großen Veränderungen: Klimawandel, neue Konsumgewohnheiten, Kostenexplosionen. Viele Winzer sprechen von Krise.

Johannes nicht. „Wir leben in veränderlichen Zeiten. Aber jede Veränderung bietet auch Möglichkeiten. Wir müssen sie nur sehen.“

Es ist dieser Optimismus, der beeindruckt – und der Hoffnung macht, dass auch die nächsten Generationen im Kaiserstuhl Weine erzeugen werden, die Herkunft spürbar machen und Zeit hörbar.


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