Kalk und Klarheit: Wie die Keßlers den Münzberg zur Burgunder-Ikone formen

Kalk und Klarheit: Wie die Keßlers den Münzberg zur Burgunder-Ikone formen



Kalk und Klarheit: Wie die Keßlers den Münzberg zur Burgunder-Ikone formen

Ein Vater-Sohn-Gespräch über Herkunft, Wandel und den kalkgeprägten Stil des Münzbergs

Es gibt Orte, an denen Geschichte, Landschaft und Menschen auf eine Weise zusammenfallen, die im Glas unmittelbar spürbar wird. Der Münzberg in Godramstein ist einer dieser Orte. Wer heute einen Chardonnay oder Weißburgunder aus dem Weingut Münzberg probiert, schmeckt nicht nur die Energie des Kalkmergels, sondern auch die Konsequenz einer Familie, die über Jahrzehnte denselben Weg verfolgt hat – Schritt für Schritt, Generation für Generation.

In der aktuellen Podcast-Episode von Genuss im Bus spreche ich mit Gunter und Friedrich Keßler, Vater und Sohn, die den Münzberg auf sehr unterschiedliche, aber ergänzende Weise geprägt haben. Gunter, der seit den 1980er Jahren das Weingut entwickelt und verschlankt hat, erzählt von einem Betrieb, der einst Mischkultur war und sich allmählich zu einem klaren Burgunderhaus transformierte. Diese Veränderung war alles andere als zufällig: Sie war das Ergebnis vieler kleiner Entscheidungen – und einiger großer Abschiede. „Man muss sich trennen können“, sagt er im Gespräch, „von Gewohnheiten, von lieb gewonnenen Arbeitsweisen, manchmal sogar von Stilistiken, die früher funktioniert haben, aber nicht mehr in die Zukunft passen.“

Die 1990er und frühen 2000er Jahre waren für Gunter eine Phase des Aufbruchs. Reisen ins Burgund, intensiver Austausch mit Kollegen in der Pfalz und die legendäre „Wine-Boy-Group“ – Rebholz, Becker, Siegrist, Wehrheim, Keßler – lieferten Impulse, die bis heute nachwirken. Die Energie dieser Gruppe war enorm: fünf Winzer, die sich gegenseitig schärften, hinterfragten, inspirierten. „Wir hatten keine Ahnung, dass das einmal so wichtig werden würde“, sagt Gunter rückblickend. „Wir wollten einfach nur besser werden.“

Heute ist es Friedrich, der das Profil des Weinguts weiter verfeinert. Sein Zugang ist präzise, analytisch, auf Spannung ausgerichtet. Frühere Lesezeitpunkte, gezieltere Holzauswahl, feinere Toastings, weniger Bâtonnage – das Ziel: Klarheit und Herkunft stärker hervortreten zu lassen. „Der Wein soll atmen können“, sagt er, „und der Boden soll sprechen.“ Gerade der hellschichtige Kalkmergel des Münzbergs gibt den Weinen diese vibrierende Säure, die feine Phenolik, die Spannung zwischen Leichtigkeit und Tiefe.

Im Podcast probieren wir zwei exemplarische Weine: den Chardonnay aus dem Godramsteiner Stahlbühl, kühl, pflanzlich, ziseliert – ein Beispiel für die Handschrift der jüngeren Generation. Und den Weißburgunder Schlangenpfiff, ein Großes Gewächs, das elegante Frucht, kalkige Struktur und salzige Länge verbindet. Ein Wein, der zeigt, wie weit der Münzberg heute ist – und welche Präzision möglich wird, wenn Erfahrung und Innovationsfreude zusammenspielen.

Unser Gespräch streift auch die Herausforderungen der Gegenwart: sinkender Konsum, steigende Kosten, die Notwendigkeit von Preisanpassungen. Die Keßlers sprechen darüber offen, reflektiert und ohne Pathos. Es wird deutlich: Die Zukunft des Weinbaus verlangt Klarheit – ökonomisch, stilistisch, menschlich.

So ist die Episode nicht nur ein Blick hinter die Kulissen eines wichtigen Pfälzer Weinguts, sondern auch ein Lehrstück darüber, wie Tradition und Moderne miteinander verschmelzen können. Und wie Kalkboden, Haltung und Handwerkskunst zu Weinen führen, die heute zur Spitze des Burgunderstils in Deutschland gehören.


Noch keine Kommentare vorhanden

Was denkst du?