Mit Andreas Schumann einen Interviewtermin zu vereinbaren, ist gar nicht so einfach. Er ist ein viel beschäftigter Mann, nicht nur unermüdlich für das Weingut Odinstal - am liebsten in den eigenen Rebanlagen - unterwegs, sondern auch als über die Landesgrenzen hinaus gefragter Experte und Berater in Sachen Biodynamie. Kennengelernt habe ich ihn denn auch anlässlich des "Biodynamischen Workshops" auf Odinstal im Jahre 2018. Von Anfang an hat mir seine entspannte und zugleich engagierte, in manchen Momenten regelrecht Begeisterung verströmende Art gefallen.
Das Podcast-Interview, das wir bereits damals verabredet haben, hat dann aber doch etwas auf sich warten lassen. Ende Januar diesen Jahres war es endlich soweit. Früh morgens bin mit dem Bulli vom Taunus in die Pfalz aufgebrochen, um dieses ganz außergewöhnliche Weingut von Andreas Schumann aufzusuchen. Zumindest gefühlt ist Odinstal das Weingut von Andreas Schumann. Faktisch ist er Betriebsleiter, Eigentümer ist Thomas Hensel. Dieser hat das Anwesen Ende der 90er Jahre erworben und seitdem aufwendig und mit viel Fingerspitzengefühl zusammen mit seiner Frau renoviert. Die Villa ist heute in einem brillanten Zustand und geschmackvoll eingerichtet.
Wie schon bei meinem letzten Besuch stellte sich die Anfahrt auch diesmal wieder als abenteuerlich heraus. Das Weingut Odinstal ist nur über einen steilen Schotterweg zu erreichen. Wenn man die letzten Häuser des Weindorfs Wachenheim hinter sich gelassen hat, führt der Forstweg zunächst durch einen Wald, dann an Rebbergen vorbei, immer steil, manchmal extrem steil nach oben. Nur im Schritttempo komme ich voran. Auf der Anhöhe endlich thront das das Anfang des 19. Jahrhunderts erbaute klassizistische Gutshaus.
Schon von weitem sehe ich Andreas, der sich vor dem Anwesen mit einem Mitarbeiter unterhält. Die beiden winken mir zu, während ich nach einer Parkmöglichkeit suche, die es mir gestattet, trockenen Fußes aussteigen zu können. Bevor ich rüber zum Haus gehe, halte ich einen Moment inne und lasse das Panorama, das sich mir hier oben eröffnet, auf mich wirken. Zunächst fällt mein Blick auf die Weinberge und den Wald, dann weitet er sich runter ins Tal und in die Ferne. Die Aussicht von hier oben ist wirklich beeindruckend. Es ist ein fast mystischer Ort.
Dass auf Odinstal biodynamischer Weinbau betrieben werden sollte, darüber war sich Andreas Schumann mit Thomas Hensel von Anfang an einig. Als sie 2004 loslegten, galten biodynamisch arbeitende Winzer zwar noch als Sonderlinge und Esoteriker, aber das war den beiden gleichgültig.
Ob allerdings jedoch ihr gemeinsames Projekt erfolgreich sein würde, war damals längst keine ausgemachte Sache. Denn erstens herrschen hier oben besonders raue Bedingungen für den Weinbau. Auf 350 Metern über dem Meeresspiegel ist es für Rotweine viel zu kalt und auch die weißen Trauben reifen vergleichsweise spät, in manchen Jahren bis zu 20 Tage später als unten im Tal.
Und zweitens war Andreas Schumann damals ein noch weitgehend unerfahrener junger Winzer, der gerade erst in Geisenheim sein Studium abgeschlossen hatte. Viel konnte er nicht vorweisen. Was allerdings neben seiner begeisternden, tatkräftigen Art für ihn sprach, waren seine Lehrjahre bei der Pfälzer Wein- und Kellermeisterlegende Hans-Günther Schwarz. Durch seine Schule sind viele heute erfolgreiche Winzer gegangen. Hans-Günther Schwarz ist Andreas Schumann auch heute noch als väterlicher Freund verbunden.
16 Jahre später kann man mit Fug und Recht sagen: Andreas Schumann hat es geschafft! So konsequent und vorbildlich wie im Odinstal wird Biodynamie selten betrieben. Das Ergebnis sind ungemein charaktervolle Weine, die in keine der gängigen Schubladen passen. Eben echte Odinstaler Berg- und Inselweine, fernab der Weinstraße und des geschmacklichen Mainstreams.
Das Herzstück der Produktion sind Rieslinge vom Basalt, Kalkstein und Buntsandstein, die alle einen ganz eigenen, nämlich ursprungstypischen Charakter zeigen, obwohl sie im Keller gleich behandelt werden. Draußen konsequente Biodynamie, im Keller selbst verordnete Zurückhaltung: Spontangärung, langer Verbleib auf der Hefe, minimaler Schwefeleinsatz – das sind die typischen Eckpfeiler einer interventionsarmen Weinbereitung. In den vergangenen Jahren hat Andreas Schumann dann mit sehr viel Feingefühl weitere Schritte ausgelotet, geprüft und getestet. Als Freigeist will er wissen, wie weit sich die Grenzen verschieben lassen und wie weit er auf dem Weg zu reinen Naturweinen gehen will und gehen kann, denn schließlich muss am Ende auch der Markt sein Okay dazu geben.
Andreas Schumann liebt die biodynamische Landwirtschaft und er ist ein Rebenversteher. Das spürt jeder, der mit ihm am Tisch sitzt und seinen Ausführungen lauscht. Die Reben und der Boden, auf dem sie wachsen und gedeihen, sind sein Leben, seine Leidenschaft. Im Odinstal hat er sein Glück gefunden und damit bereits seine Kinder angesteckt. Seine älteste Tochter hat gerade eine Winzerlehre begonnen und auch die drei Jüngeren haben längst begonnen, sich für die wunderbare Welt ihres Papas zu interessieren.
Hört selbst rein ins Interview und lernt mit Andreas Schumann einen tiefsinnigen und zugleich ungemein entspannten und sympathischen Zeitgenossen kennen. Unser Gespräch ist zudem eine perfekte Lehrstunde, die Welt der Biodynamie und ihre besondere Sicht der Dinge besser zu verstehen.
Meine Empfehlung: Fahrt mal hin, besucht Andreas Schumann und das Weingut Odinstal, bringt etwas Zeit mit und bucht eine kleine Weinguts-Führung mit anschließendem Tasting. Es ist ein unvergessliches Erlebnis!
Viel Spaß beim Anhören der Episode.
Lasst es euch schmecken!
Wolfgang
Philipp Bohn
Wolfgang Staudt
das war ja bislang immer so eine Sache mit der "Wissenschaftlichkeit" der biodynamischen Wirtschaftsweise. Empirisch konnten oft ganz unzweideutig positive Effekte beobachtet werden, wissenschaftlich nachweisbar war das aber i.d.R. nicht. Nun gibt es aber in den vergangenen Jahren immer öfter auch wissenschaftliche Untersuchungen (u.a. in Geisenheim Prof. Kauer), die der Sache weiter auf den Grund gehen und zeigen, dass auch Wissenschaftler mit neuen Methoden und Instrumenten Dinge zu Tage befördern, die bislang im Verborgenen blieben. Interessant ist auch diese Seite: https://dieloesung.bio/ueber-uns/
Viele Grüße, Wolfgang
Tom Zweivierzwei
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