Die rarsten und deshalb wertvollsten Süßweine sind edelsuesse Dessertweine. Sie entstehen durch natürliche Konzentrierungsprozesse. Die Beeren, die für die Bereitung dieser Weine gekeltert werden, haben zum Zeitpunkt der Ernte einen Großteil ihres Saftes verloren. Im Verhältnis zum noch vorhandenen Saft sind die Anteile von Zucker, Säure, Aromen und Extraktstoffen enorm angestiegen.
Zwei Vorgänge sind es, die den Flüssigkeitsschwund in der Beere auslösen: das langsame Dünnerwerden bis hin zum Durchlässigwerden der Beerenhaut sowie das Auftreten des Schimmelpilzes Botrytis cinerea, dessen Sporen durch die Beerenhaut wachsen und feinste Löcher hinterlassen.
Im ersten Fall entstehen rosinenartige, im zweiten mit Schimmel besetzte Schrumpeltrauben. Der Zuckergehalt dieser Trauben und des daraus entstehenden Mostes ist so hoch, dass ein Durchgären zu trockenen Weinen ausgeschlossen ist. Die Hefen, die aus Zucker Alkohol machen, sind dazu nicht mehr in der Lage, denn sie sterben bei einem Alkoholgehalt von rund 14–15 Vol.%. Alle Süße, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht vergoren ist, bleibt im Wein als Restsüße zurück.
Der Schimmelpilz tritt nur in Anbaugebieten mit gemäßigtem Klima auf, und dort auch lediglich unter bestimmten Bedingungen: Morgennebel muss Feuchtigkeit in die Weinberge bringen und warme und sonnige Witterungen die Trauben im Laufe des Tages wieder abtrocknen. Es sind vor allem Flussregionen, die beste Entstehungsbedingungen für den Botrytispilz bieten. Und nur wenn er reife Trauben befällt, wird er von den Winzern als Segen begrüßt – befällt er hingegen unreife Trauben, entsteht die sogenannte Graufäule: Die Trauben faulen und die Ernte ist dahin.
Da der Edelpilz nicht auf allen Trauben gleichermaßen ideale Wachstumsbedingungen vorfindet, müssen die Trauben manuell und oftmals in mehreren Durchgängen selektiv gelesen werden. Die Auslese erfolgt am Stock, eine Maschinenernte wäre unmöglich. Ein geübter Leser erntet pro Tag zwischen 60 und 80 Kilogramm Trauben einer Beerenauslese, die Saftausbeute beträgt nur etwa 20 Prozent, manchmal weniger.
Wenn die mit den Trauben gefüllten Bütten dann ausgeleert werden, staubt es. Braune oder graue verschimmelte Beerchen kommen zum Vorschein, und es fällt schwer zu glauben, dass dies das Ausgangsmaterial für einen großen Wein sein soll. Nun muss nochmals sortiert werden, denn nur die verschimmelten und eingeschrumpften Beeren kommen für Beeren- und Trockenbeerenauslesen in Frage.
Die bekanntesten botrytisgeprägten Weine kommen weder aus Deutschland noch aus Österreich. Ihre Heimat ist Frankreich. Dort ist es vor allem die Region Bordeaux, die mit ihren Subzonen Sauternes und Barsac Jahr für Jahr exzellente Süßweine erzeugt. Anders als an Rhein und Mosel, wo die edelsüßen Vertreter nur das marginale i-Tüpfelchen der Produktion ausmachen, gilt im Sauternes-Gebiet – ähnlich wie nur noch in Tokaj und im Seewinkel des Burgenlandes – das gesamte Engagement dem edelsüßen Dessertwein.
Die Grundlage für diese Spezialisierung beruht auf dem Wechselspiel zwischen herbstlichen Frühnebeln, für die vor allem der Zufluss des kalten Cirone in die wärmere Garonne sorgt, und mittäglicher Wärme mit starker Sonneneinstrahlung. Dieses Mikroklima bietet dem Botrytis-Pilz optimale Wachstumsbedingungen, und so kann es hier regelmäßiger als sonstwo zur Ernte edelfauler, eingeschrumpfter Trauben mit extrem hohem Süßegehalt kommen. Ein Sauternes ist bereits solo ein Hochgenuss, doch so richtig in Fahrt kommt er erst, wenn er salzigen Roquefort oder Crème brûlée begleiten darf. Eine Punktlandung ergibt die Kombination mit Birnen-Gorgonzola-Strudel.
Neben der Bordeaux-Region finden sich auch im Loiretal gute Bedingungen für edle Süßweine. Dessertwein vom Feinsten entsteht hier in den Subzonen Vouvray, Montlouis, Quarts de Chaume und Bonnezeaux aus der Rebsorte Chenin blanc. Der Süßelevel dieser Weine liegt jedoch deutlich unter den meisten Sauternes und Barsac. Ähnliches gilt für die Sélections des Grains Nobles (Beerenauslesen) aus dem Elsass.
Hierzulande genießen natürlich die Beeren- und Trockenbeerenauslesen von Rhein, Main und Mosel einen exzellenten Ruf. Sie gelten als rare Kostbarkeiten, für deren Erwerb man in der Spitze gelegentlich vierstellige Europreise investieren muss. Hohe Preise erzielen sie nicht zuletzt aufgrund des hohen Aufwandes für ihre Produktion und ihre geringe Verfügbarkeit. Denn anders als in den Süßweingebieten rund um Bordeaux kommt es an Rhein, Main und Mosel nur alle paar Jahre einmal zum glücklichen Zusammentreffen all jener Bedingungen, die den Botrytis-Pilz auf reifen Beeren wachsen lassen. Die Erntemengen sind stets homöopathisch klein, doch der Genuss, den die daraus bereiteten Weine bieten, ist unübertroffen köstlich.
Sehr gute Beeren- und Trockenbeerenauslesen überzeugen in der Nase mit überschwänglicher Fruchtkomplexität und merklichen Botrytisnoten. Es finden sich Anklänge an Mango, Passionsfrucht, Ananas und Weinbergpfirsich. Hinzu gesellen sich Noten getrockneter und kandierter Früchte, Zimt und Karamell sowie ein wenig Honig. Der üppige, überaus cremige Gaumenauftritt ist ausgestattet mit einem explosiven Frucht-Säure-Spiel und einem durchschnittlichen Alkoholgehalt von nur rund acht Volumenprozent. Trotz der fulminanten Süße wirken Top-Vertreter – in der Regel aus der Rebsorte Riesling – immer herrlich rassig und temperamentvoll. Sie vereinen barocke Fülle mit tänzerischer Eleganz und Leichtigkeit.
Es ist ein ungemein spannendes Erlebnis, wenn Du einmal eine deutsche Trockenbeerenauslese (TBA) mit einem typischen Sauternes vergleichst. Beide Süßweintypen entstehen aus vergleichbarem Ausgangsmaterial, ihre Stilistik könnte jedoch unterschiedlicher nicht sein. Eine typische TBA hat meist einen sehr niedrigen Alkoholgehalt und vereint eine intensive Süße mit viel lebendiger Säure.
Dagegen repräsentieren die üppigen, viskosen und strohgelben Sauternes eine andere Süßweinstilistik. Ihr Alkoholgehalt ist mit rund 14 Vol.% deutlich höher, die im Wein zurückbleibende Traubensüße dagegen erheblich niedriger. Weil auch die Säurewerte bei einem Sauternes deutlich niedriger liegen, wirken diese Weine sehr viel konzentrierter und schwerer als deutsche Trockenbeerenauslesen.
Die edelsüßen Weine aus Österreich, der Ruster Ausbruch und die Beeren- und Trockenbeerenauslesen vom Neusiedlersee haben mit ihren Verwandten von Rhein und Mosel vieles gemeinsam, wenngleich sie aus gänzlich anderen Rebsorten gekeltert werden. Sicher wirken sie nicht ganz so lebendig und trinkanimierend, doch sie haben den entscheidenden Vorteil, dass sie aufgrund der klimatischen Gegebenheiten sehr viel regelmäßiger und in größeren Mengen entstehen und deshalb zu günstigeren Preisen vermarktet werden können. Für mich sind geniale Preis-Leistung-Knüller.
Diese Weine sind die idealen Begleiter zu Marillenknödel und Gugelhupf, zu komplexen Fruchtdesserts ebenso wie zu Blauschimmelkäse mit Rosinennussbrot. In kleinen Mengen ausgeschenkt machen sie selbst als Aperitif eine gute Figur.
In einer ganz eigenen Liga spielt dagegen der Tokajer aus Ungarn. Es ist sicher der stilistisch eigenständigste, geschmacksintensivste und lebendigste Süßwein der Welt. Ein Gläschen passt perfekt zu englischem Christmas Pudding, zu Crème Caramel und mildem sahnigen Blauschimmelkäse. Edelfäule ist auch für ihn obligatorisch, aber sein Herstellung- und Reifungsprozess ist von so vielen Besonderheiten geprägt, dass ich ihn demnächst in einem gesonderten Beitrag vorstellen werde. Es ist ein wirklich besonderer Wein und das Tokajer-Gebiet wurde 2002 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.
Grundsätzlich gilt auf diesem Feld: Erlaubt ist, was gefällt! Lass Dich bloß nicht von starren Vorschriften leiten. Experimentiere und finde heraus, was für Dich passt. Bedenke, dass die edelsüßen Weine nicht nur als Begleiter von Süßspeisen in Frage kommen, sondern auch zu scharf gewürzten Gerichten und pikantem Käse. Schreib mir doch bei Gelegenheit, welche Erfahrungen Du gemacht hast.
Weingut Clemens Busch, Pünderich
Weingut Fitz Haag, Brauneberg
Weingut Meulenhof, Erden
Weingut Peter Jakob Kühn, Östrich
Weingut Klaus Keller, Flörsheim-Dalsheim
Weingut Horst Sauer, Escherndorf
Weingut Pfeffingen, Ungstein
Weingut Andreas Laible, Durbach
Heidi Schröck, Rust
Weinbau Wenzel, Rust
Ernst Triebammer, Rust
Feiler-Artinger, Rust
Weinbau Velich, Seewinkel
Alois Kracher, Seewinkel
Weingut Haider, Seewinkel
Weingut Opitz, Seewinkel
Château Climens, Barsac
Château Coutet, Barsac
Château Gilette, Preignac
Château La Tour Blanche, Bommes
Domaine des Baumard, Rochefort-sur-Loire
Château Bellerive, Rochefort-sur-Loire
Château de Fesles, Thouarcé
Domaine les Grandes Vignes, Thouarcé
Domaine Huet, Vouvray
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Wolfgang Staudt
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Jutta Heupel
Den Tokaj hatte ich gar nicht als Süßwein auf dem Zettel. Allerdings weiß ich, dass er sehr speziell ist. In Italien darf er als italienischer Wein nicht mehr produziert werden. Er nennt sich jetzt Friulano. Vermindert allerdings nicht die Qualität.
Philipral
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