Foto: Andreas Jakwert
Wie wohl kein anderer verkörpert Herbert Zillinger den Aufbruch in dem vor allem für einfachen Massen- und Sektgrundwein bekannte Weinviertel. Zusammen mit seiner Frau Carmen geht er in Ebenthal ungewöhnliche Wege und weist mit seiner kompromisslos individuellen Herangehensweise dem Gebiet den Weg in eine vielversprechende Zukunft.
Seine Weine präsentieren sich ungemein puristisch, alle miteinander geprägt von einer wundervollen Ballance, einer in sich ruhenden Ästhetik. Vor allem seine Grünen Veltliner kommen kristallklar, voll vibrierender Spannung, ungemein vital und druckvoll daher. Es sind Weine mit enormem Tiefgang und Dichte, ohne auch nur im Anflug schwer oder aufdringlich intensiv zu wirken. Sie sind ihrem Schöper, sie sind Herbert Zillinger sehr ähnlich - leise, facettenreich, tiefgründig.
Herbert Zillinger ist nicht nur ein außergewöhnlicher Weinmacher, er ist auch ein ungemein facettenreicher Mensch. Es war mir eine große Freude, ihn in Ebenthal zu besuchen und ein paar Stunden mit ihm zu verbringen. Am Abend sind wir dann gemeinsam im Bulli nach Poysdorf gefahren, um im WINO, der Weinbar von Erich Schreiber, Edgar Brutler und - den leider kurzfristig verhinderten - Miso vom slowakischen Weingut Slobodne zu treffen.
Vor einem bis in die Fingerspitzen aufmerksamen und interessierten Publikum habe ich mein neues Buch "New Wine Wave" vorgestellt und die Portraits von Slobodne, Herbert und Edgar gelesen. Erich und seine Frau sorgten für allerlei kulinarische Leckereien, während die Winzer ihre Weine ausgeschenkt und dem Publikum Rede und Antwort gestanden haben. Ein für alle beglückender Abend, der erst gegen Mitternacht endete!
Foto: weinvierteldac.at
Mit einer Rebfläche von rund 14.000 Hektar ist das Weinviertel das größte Weinbaugebiet Österreichs. Es ist ein sehr zersplittertes Weinbaugebiet mit drei Zentren: eins im Südosten nördlich des Marchfeldes und im Westen der Slowakei. Hier befindet sich auch Ebenthal. Ein zweites Teilgebiet befindet sich im Nordosten rund um Poysdorf. Im Norden grenzt es an Tschechien. Ein weiteres Teilgebiet liegt im Nordwesten des Weinviertels zwischen Retz und Röschitz. Mittendrin thronen die Leiser Berge.
Diese Weitläufigkeit manifestiert sich sowohl in geologischen als auch klimatischen Unterschieden. Der westliche Teil ist spürbar kühler als der südöstliche Teil, was sich in einer Reifedifferenz von einer ganzen Woche niederschlägt. Auch hinsichtlich der Böden herrscht eine große Vielfalt.
Zwar wird das Weinviertel oft als „Lössland“ bezeichnet, doch allenthalben trifft man auch auf Kies, Sand und Ton, mitunter sogar auf harten Kalk- und Sandstein. Es handelt sich überwiegend um nährstoffreiche und wasserspeicherfähige Böden, die auch in heißen und niederschlagsarmen Jahren die Reben vergleichsweise gut versorgen können.
Foto: Andreas Jakwert
Lange galt das Weinviertel als Underdog unter Österreichs Weinbaugebieten. Doch das hat sich im Laufe der vergangenen Jahre gewandelt. Herbert Zillinger meint:
Momentan ist das Weinviertel eines der richtig spannenden Gebiete Österreichs, wo sich sehr viel tut, wo viele junge Winzer ambitionierte Ziele verfolgen, sich an die Spitze heranarbeiten und auch mit ganz anderen Ideen und frei von Konventionen an die Sache herangehen. Das wird in Zukunft noch für sehr viel Leben und Vielfalt in der österreichischen und internationalen Weinwelt sorgen.
Wichtigste Rebsorte ist mit einem Bestand von rund 7.000 Hektar der Grüne Veltliner, eine Sorte, die mit den natürlichen Gegebenheiten des Weinviertels sehr gut zurecht kommt. Aber auch Riesling, Weiß- und Grauburgunder sowie diverse aromatische Rebsorten spielen für so manchen Produzenten eine wichtige Rolle.
Foto: Andreas Jakwert
Ursprungswein - Ich bin ein großer Freund der Herkunft. Herkunft ist immer stärker als Marke. Wir haben uns allerdings von der Herkunft aus rechtlichen Gründen leider verabschieden müssen. Aber grundsätzlich bin ich ein großer Freund der Herkunft.
Ästhetik eines Weins - Ein Wein muss mich packen, er muss lebendig sein und am Gaumen muss es vibrieren.
Handschrift des Winzers - Wir verfolgen eine extrem puristische Handschrift. Wir wollen Herkunft, Lage, Rebsorte und klimatische Gegebenheiten so pur wie nur möglich vom Rebstock ins Glas transportieren.
Handwerk - Ganz, ganz wichtig. Handwerk steht über allem. Wir arbeiten sehr viel im Weingarten, sehr wenig im Keller. Im Weingarten ist fast alles Handarbeit, obwohl unsere Flächen gut zu bewirtschaften sind. Mit dem Traktor passiert immer weniger.
Foto: Andreas Jakwert
Klimawandel - Das ist eine große Herausforderung, aber nichts, was mir Existenzängste macht.
Purismus - Purismus ist uns im Wein ganz, ganz wichtig. Es geht uns nicht nur beim Wein, sondern auch bei allen anderen Lebensmitteln um diese Ehrlichkeit und Echtheit des Produktes. Wir möchten das, was wir zu uns nehmen, möglichst unverfälscht und möglichst puristisch genießen.
Die Stärken des Weinguts Herbert Zillinger - Die Stärken unseres Betriebes sind sicherlich die, dass wir uns selbst immer treu geblieben sind, dass wir unsere Ideen, unsere Stilistik, ja generell unsere Idee des weinbaulichen Schaffens immer konsequent verfolgt haben und uns nie von Moden haben beeinflussen lassen. Auch wenn es anfangs oft hart und schwer war, wenn man etwas gut und gerne macht, dann führt es fast zwangsläufig früher oder später zum Erfolg.
Foto: Andreas Jakwert
Pragmatiker oder Überzeugungstäter - Wir sind Menschen, die mit klaren moralischen Werten durchs Leben gehen. Wir haben noch selten den einfacheren Weg gewählt, auch wenn wir das hin wieder auch mal bedauert haben. Aber im Großen und Ganzen kann man schon sagen, dass wir weniger pragmatisch, sondern immer mit viel Herz und Überzeugung an die Dinge herangehen.
Sichtbarkeit am Markt - Wenn ein unbekannter Winzer aus einem wenig prestigeträchtigen Anbaugebiet einen Weinmarkt, der laute, fruchtintensive Weine über alles liebt, mit leisen Weinen erobern will, dann kann das kein einfaches Unterfangen sein.
Essentials auf dem Weg zu einem puristischen Zillinger-Wein - In erster Linie ist es wichtig, eine perfekte Balance zu finden. Dafür braucht es gesunde, vitale Böden, die in einer guten Balance stehen. Lebendige Böden, die gut ausbalanciert sind. Nur solche Böden bieten der Rebe die Möglichkeit, ausbalanciert, vital und gesund zu wachsen und gesunde und sensorisch und analytisch ausbalancierte Trauben hervorzubringen. Und wenn wir es schaffen, solch ausbalancierte Trauben im Herbst zu ernten, dann ist es uns erlaubt, im Keller ebenso puristisch zu arbeiten, wie wir heute arbeiten. Dann müssen wir - von ein bisschen Schwefel abgesehen - nichts zusetzen und müssen auch nichts entziehen.
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Mentoren - In den Anfangsjahren hat mir der Kontakt zum Önologen Volker Schneider geholfen. Er hat vor allem meine Versuche mit der Mostoxidation beratend unterstützt. Sehr viel in punkto Weingartenpflege und Bodenbearbeitung habe ich von dem Biodyn-Berater Frank John lernen und mitnehmen dürfen. Später war in dieser Hinsicht Georg Meissner und natürlich auch die Gruppe respekt-BIODYN sehr wichtig. Die Offenheit, mit der hier der Erfahrungsaustausch betrieben wird, ist sensationell.
Glück - Wir sind heute zwar sicherlich nicht wirtschaftlich super erfolgreich, aber zumindest so weit, dass wir von dem oder mit dem, was wir tun, erstens eine Riesenfreude haben und zweitens auch unsere Familie davon ernähren können. Und das ist schon sehr befriedigend und schön. Und vor allem haben wir wirklich jeden Tag eine Freude, wenn wir durch unsere Weingärten gehen. Das ist schon ein großes Glück.
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Das Sortiment gliedern die Zillingers in zwei Linien. Die eine Linie nennen sie Neoklassik, die andere Freestyle.
Neoklassik
Herbert und Carmen haben den Namen Neoklassik bewusst gewählt, um ihre stilistische Positionierung zu verdeutlichen.
Wir werden sehr gern in die Naturweinschublade gesteckt, was uns aber nicht besonders gut gefällt. Ich finde diesen Terminus nicht besonders glücklich. Was wir in Flaschen füllen, ist laut Definition zwar alles Naturwein, es ist völlig unverfälscht und hat nur ganz ganz wenig Schwefel, unter 30 Milligramm Gesamtschwefel und zwischen 10 und 15 Milligramm freier Schwefel. Aber im Kern geht es uns um Herkunft. Wir wollen das Terroir so unverfälscht wie möglich transportieren, von der Traube bis ins Glas.
Eigentlich sind es Klassiker, Weintypen, wie sie vielleicht früher schon einmal gemacht wurden, damals sicher unter einer anderen Qualitätsprämisse.
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Freestyle
Freestyle nennen die Zillingers ihre zweite Weinlinie. Das sind eher Autoren- als Herkunftsweine. Sie kommen jugendlich und fresch daher, genauso wie die Namen, die sie tragen: Toast Hawaii, Popcorn, Goldfish und Spring Break. Herbert erklärt den Charakter dieser Linie so:
In der Freestyle-Linie versammeln wir junge, unkonventionelle Weine. Hier geht es uns weniger um Rebsorte und Terroir, sondern um Trinkspaß - durchaus mit gewissem Anspruch. Hier entscheidet das Bauchgefühl. Mit diesen Weinen beschreiten wir Wege abseits der ausgetretenen Pfade. Es ist unsere Spielwiese - mit Maischegärung und unfiltrierter Flaschenfüllung.
Heraus kommen lebendige Weine mit Leichtigkeit und enormem Trinkfluss - interessant für Einsteiger und Nerds gleichermaßen.
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Goldfish
Happy-Hour-Wine! Und ein exzellenter Fisch-Begleiter!
Neuland Grüner Veltliner
Strahlt pure Lebensfreude aus! Unkomplizierter Trinkspaß!
Horizont Grüner Veltliner
Die Visitenkarte des Hauses ist geprägt von gelbfruchtiger Saftigkeit, viel Grip, enormem Zug und finaler Salzigkeit. Ziemlich frech und verspielt!
Hirschreyn (früher „Hohes Eck“) Grüner Veltliner
Das ist ein extrem cooler Veltliner von einem Löss-Hang mit nördlicher Ausrichtung. Sehr pikant, saftig und vibrierend lebendig.
Weintal Grüner Veltliner
Von einer kühlen, windexponierten Lage mit Lössboden kommt ein druckvoller Veltliner mit einer wunderbar kühlen Eleganz.
Kalkvogel (früher „Vogelsang“) Grüner Veltliner
Karger Kalkboden bringt Feingliedrigkeit, Säurepikanz und eine enorm atraktive Textur in diesen Veltliner. Ein echter Langstreckenläufer, der am Gaumen viel Druck erzeugt.
Radikal Grüner Veltliner
Von den ältesten Rebstöcken in Ollersdorf auf Kalksteinböden entsteht dieses Energiebündel. Er rockt den Gaumen, zeigt zugleich enorme Eleganz, Tiefgang und Länge.
Elementar Grüner Veltliner
Hier lotet Herbert Zillinger das Spannungsfeld zwischen Kraft und Leichtigkeit aus. Der Wein wirkt ruhig, zeigt Aromen nach Akazienblüten, Rosmarin und Basilikum. Am Gaumen entfalten sich Druck und Fülle, er wirkt saftig, erdig und zeigt kühle Mineralik.
Profund Traminer
Traminer mal ganz anders: Alte Reben und strenge Selektion lassen einen Wein von fast wilder Kräuterwürze entstehen. Ungemein lebendig, zugleich ruhig und abgeklärt. Ein Wein für nachdenkliche Stunden und zur Verlangsamung der Zeit.
Foto: Andreas Jakwert
Beim aktuellen Sortiment handelt es sich um eine faszinierende Palette unvergleichlich schöner und beeindruckender Weine - maximal natürlich und zugleich extrem fein, brillant und elegant, kristallklar und voll vibrierender Spannung.
Nur schade, dass das herrschende Produktionsdisziplinar sie nicht in ihren Reihen haben will. Es hält noch immer an einem Status quo fest, der es unfiltrierten Weinen verwehrt, unter der Flagge der DAC Weinviertel zu segeln. Es wären exzellente Botschafter der Region. Darüber sind Carmen und Herbert als waschechte Weinviertler betrübt, aber sie sagen: „Wir verbiegen uns nicht, um dem System zu gefallen.“
Die nächste Episode von Genuss im Bus geht planmäßig am 9. September an den Start. Dann ist Bernhard Fiedler zu Gast. Bernhard ist nicht nur Winzer im Burgenland, sondern auch ein bekannter österreichischer Blogger und Weineducator an der berühmten Ruster Weinakademie.
Bekannt ist er und sein direkt an der ungarischen Grenze gelegenes Weingut Grenzhof-Fiedler vor allem wegen der exzellenten Rotweine, die hier aus den Sorten Zweigelt, Blaufränkisch und Cabernet Sauvignon auf Flaschen gefüllt werden. Es sind alle miteinander ungemein feine, ausgewogene Weine mit Tiefe und Charakter. Und damit ganz ähnlich wie ihr Schöpfer selbst.
Deshalb freue ich mich sehr, wenn Ihr am 9. September wieder einschaltet, wenn mit Bernhard Fiedler ein ungemein interessanter und elequenter Weinmacher aus dem Burgenland am Mikrofon Platz nimmt.
Für heute sage ich Tschüss und auf Wiedersehen und nicht vergessen
Lasst es Euch schmecken!
Wolfgang
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