Johannes Landgraf im Podcast Genuss im Bus

Johannes Landgraf im Podcast Genuss im Bus


Johannes Landgraf im Podcast Genuss im Bus

Wie ein rheinhessischer Winzer zu seinem Glück fand

Für eine weitere Episode meines Podcasts „Genuss im Bus“ bin ich nach Rheinhessen gefahren, ums genauer zu sagen nach Gau-Odernheim und damit in die unmittelbare Nähe des Petersbergs, der mit knapp 250 Metern höchsten Erhebung des Gebietes.

Von hier hat man einen unheimlich schönen Blick in die Ferne, über ganz Rheinhessen, das Land der tausend Hügel, die einem an manchen Tagen wie Wellen entgegenzukommen scheinen.

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Weingut Becker Landgraf - das Weingut eines in der Liebe zum Wein vereinten Paares

Aber diesmal lasse ich den Petersberg links liegen und biege stattdessen am Ortsende rechts ab zum Weingut Becker Landgraf, wo mich der Chef des Hauses, Johannes Landgraf bereits erwartet. Julia, die Weingutschefin und Frau von Johannes ist derweil im Weinberg mit dem Rebschnitt beschäftigt. „Da draußen, das ist ihre Welt, sagt Johannes, in der Natur sein, umzingelt von Reben und den Wind auf der Haut spüren, das liebt sie über alles. Also muss ich heute in die Rolle des Außenministers schlüpfen und dir Rede und Antwort stehen.“

Und später im Gespräch ergänzt Johannes Landgraf sichtlich gerührt: „Und genau so leben und arbeiten wir. Wir haben eine ganz tolle Übereinkunft. Wir haben eine tolle Partnerschaft. Ich habe mir das immer gewünscht, ein Weingut zusammen mit einer Frau zu bewirtschaften, die dieselbe Leidenschaft für den Wein im Herzen trägt wie ich. Das ist ein Riesenglück!“

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Die Kraft familiärer Gemeinschaft

Bevor Johannes Landgraf und Julia Becker ein Paar wurden, arbeiteten sie beide in ihren elterlichen Weingütern, Johannes zusammen mit seinem Bruder Andre im etwa 15 Kilometer entfernten Saulheimer Weingut Landgraf, Julia im Weingut Becker in Gau-Odernheim.

So schien alles seine Ordnung zu haben, bis dann die Liebe zuschlug, die Dinge mischte und neue Ordnungen möglich machte. Heute prosperieren die beiden Weingüter auf hohem Niveau, nicht als Konkurrenten, sondern partnerschaftlich, im kreativen Dialog und immer bereit, einander zu unterstützen. „Auch das ist ein großes Glück“, so hat Johannes Landgraf es treffend formuliert und an anderer Stelle wie folgt ergänzt:

„Wir haben bei uns in der Familie schon immer ein sehr inniges Verhältnis gehabt, ein ganz starkes familiäres Band. Das hat uns in der Vergangenheit geprägt, das prägt uns heute und wird sicher auch zukünftig unser Miteinander prägen. Es vergeht keine Woche, in der wir nicht telefonieren, uns beratschlagen und uns Tipps geben. Wir helfen uns, wo wir können.“


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Johannes Landgraf: „Für uns ist Ehrlichkeit ganz wichtig."

Auf meine Frage, mit welchen Grundüberzeugungen Julia und er die Geschicke des Weinguts lenken, erklärt er mir: „Für uns ist Ehrlichkeit ganz wichtig. Wir sind gradlinige, ehrliche Menschen und wir sprechen die Dinge ganz offen an. Da wird nichts verheimlicht. Und wenn wir ein Problem haben, dann wird da drüber geredet. Und so gehen wir auch mit unseren Mitarbeitern um. Und genauso gehen wir auch mit unseren Weinbergsböden um. Wir versuchen hier eine ehrliche, authentische Arbeit zu machen. Das ist für uns das Wichtigste, das ist unser Kapital.“

Das hat in Weinberg und Keller ein Umdenken notwendig gemacht. Wer sich am Anspruch der Ehrlichkeit messen lassen will, kann als Winzer nicht mit dem „Business as usual“ fortfahren. Diesem Anspruch haben sich Julia und Johannes gestellt. Sehr konsequent, aber nicht von heute auf morgen. Und manche Einsichten haben sich erst allmählich herausgebildet. Sie sind das Ergebnis eines persönlichen und beruflichen Entwicklungs- und Reifungsprozesses. Auch die Becker-Landgrafs sind nicht mit ihnen auf die Welt gekommen, noch sind sie das zwangsläufige, unvermeidliche Resultat von Winzerlehre oder Önologiestudium.

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Entwicklungs- und Reifungsprozesse des Johannes Landgraf

„Natürlich habe ich meine ersten Jahrgänge erst mal ganz nach Schulbuchwissen gemacht. Geerntet haben wir fast ausschließlich mit dem Vollernter. Der Most wurde sehr intensiv vorgeklärt, dann mit Reinzuchthefen vergoren und früh von der Hefe runtergezogen. Alle Prozesse waren am Schulbuchwissen orientiert und es kamen reduktive, stark fruchtbetonte und alles in allem wenig charaktervolle, wenig originelle Weine dabei heraus. Mehr oder weniger schmeckte ein Wein wie der andere.“

Mit dem Ergebnis, dass sich bei Johannes Landgraf zunehmend eine gewisse Unzufriedenheit einstellte. Diese Art des Weinmachens begann ihn zu langweilen und es machte sich das Gefühl breit, dass es das nicht gewesen sein kann. Scheinbare Gewissheiten gingen verloren und immer mehr Fragen traten an ihre Stelle.

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"Message in a bottle" - die Antwort junger Winzer und Winzerinnen auf das angestaubte Image des rheinhessischen Weins

Auch anderen Winzern und Winzerinnen erging es in dieser Zeit ähnlich. Überall in Rheinhessen war es zu hören, dieses Murren und Rumoren wurde immer lauter, immer unüberhörbarer und mündete schließlich in die Gründung von „Message in a bottle“, einer regionalen Winzergruppe, die zunächst mehr zum Partymachen, denn für den fachlichen Austausch oder die gemeinsame Vermarktung zu existieren schien.

Doch das, was zunächst dem Bedürfnis der jungen Winzer und Winzerinnen nach Gemeinschaft, Geselligkeit und Spaß entsprungen sein mochte, entpuppte sich mit der Zeit als Quelle der Inspiration und Motivation und setze schon bald unbändige Kräfte frei für einen neuen Typ des Rheinhessen-Weins.

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Johannes Landgraf erinnert sich an die Aufbruchsjahre kurz nach der Jahrtausendwende

„Zunächst begannen wir, vieles kritisch zu hinterfragen. Wir begannen, sehr offen über alles miteinander zu sprechen. Wir verkosteten unsere Weine gegenseitig, lernten Kritik zu üben und ebensolche zu ertragen.

Dann kamen gemeinsame Reisen hinzu, der Austausch mit Winzern im Elsaß und im Burgund. Parallel experimentierten wir mit alternativen Pflegemaßnahmen im Weinberg, weniger Technik und Sicherheitsdenken im Keller.“

Johannes Landgraf und mit ihm die Truppe von „Message in a bottle“ haben nicht nur die Qualität und stilistische Ausrichtung des Rheinhessen-Weins revolutioniert, sie gehen auch in die Geschichte der Region ein als Pioniere und Wegbereiter einer neuen Kommunikations- und Kooperationskultur. Was heute ganz selbstverständlich erscheint, war lange und für viele Winzergenerationen undenkbar.

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Der Geist der Aufbruchsstimmung hat auch dem Wein einen neuen Geist eingehaucht

Offenheit, Toleranz und der unbändige Wunsch, die Welt zu entdecken, mutig und ohne Scheuklappen, das war sicher ein ganz wesentlicher Teil des guten Geistes, der von den jungen Winzern und Winzerinnen von Message in a bottle ab 2002 ausging und schnell an Ausstrahlung weit über die Region hinaus gewann.

„Unsere Generation hat erstmals erkannt, wie unheimlich wichtig der Austausch untereinander ist. Und wir haben auch erkannt, dass man sich ruhig offen sagen kann, wie man arbeitet und die Kollegen mit in den Keller nehmen und ihnen alles zeigen kann. Vielleicht waren wir in dieser Hinsicht selbstbewusster als unsere Väter und Großväter. Aber uns war einfach klar, dass jeder Wein immer und vor allem die Handschrift ihres Erzeugers trägt und die ist unkopierbar. Timing, Fingerspitzengefühl und Intuition spielen dabei vielleicht eine noch größere Rolle als bestimmte Verfahren und Techniken.“

Mit dieser Einsicht im Rücken ist es den Protagonisten der neuen rheinhessischen Winzerära sicher noch ein bisschen leichter gefallen, sich zu öffnen und im stärkeren Miteinander sich selbst und die ganze Region weiterzuentwickeln. Und sie sollten Recht behalten. Seit dieser Zeit hat sich Rheinhessen - neben der Pfalz - an die Spitze einer so lange vermissten Innovationsdynamik im deutschen Weinbau gesetzt.

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Neue Wege beim Weinbergsmanagement

Auch bei den Becker-Landgrafs wird heute ganz anders gearbeitet. Hinsichtlich der Bewirtschaftung der Weinberge haben sie sich für den ökologischen Weg entschieden. Eigentlich schon länger, aber den Weg zur Zertifizierung als Bio-Betrieb gehen sie erst jetzt.

Dazu erklärt mir Johannes: „Da wir schon länger im Prinzip biologisch arbeiten, ist das jetzt kein wirklich großer Schritt mehr für uns, aber wichtig für unsere Positionierung. Unser Ziel ist es, noch mehr Natürlichkeit und Gleichgewicht in unsere Weinberge zu bringen.“

Er ist fest davon überzeugt, dass es durch die Ausbringung bestimmter Komposttees möglich ist, lebenserhaltende und stärkende Prozesse im Boden und auf der Blattoberfläche in Gang zu setzen. Zudem versucht er, die Vernetzung und Kommunikation der Reben über ihr Wurzelwerk zu fördern und den Weinberg dadurch in ein besseres Gleichgewicht zu bringen. Manche Arbeiten orientiert er am Einfluss des Mondes.

„Neupflanzungen ebenso wie den Rebschnitt versuchen wir unter Bedingungen der optimalen Mondkonstellation durchzuführen. Auch andere Arbeiten im Weinberg richte ich danach aus, vor allem die Ernte, wenn es denn das Wetter zuläßt. Auch beim Füllen der Weine achten wir darauf. Ich habe da meine eigenen Versuche gemacht und auch entsprechende Effekte erlebt.“

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Neue Erfahrungshorizonte ausloten

Im Gespräch spüre ich Johannes’ Begeisterung für diese Dinge, seine unstillbare Neugierde, seine Lust, Neues auszuprobieren und - wenn möglich - die Grenzen des Wissens zu überschreiten und neue Erfahrungshorizonte auszuloten. Dass er es in dieser Hinsicht nicht übertreibt, dafür sorgt Julia. Sie ist die Geerdetere von den beiden, die etwas Vorsichtigere, dafür aber mit einem tiefen Urvertrauen ausgestattet und deshalb sein Ruhepol.

Wenn Johannes mir im Interview sagt, „beim Weinmachen kommt es viel auf Vertrauen an. Man muss dem Weinberg vertrauen, der Lage vertrauen. Man muss vor allem seinem eigenen Tun vertrauen. Auch wenn sich die Dinge am Anfang mal nicht so präsentieren, wie man es sich wünscht“, dann gehen dieser Haltung sicher auch Erfahrungen und Learnings voraus, die Julia initiiert und möglich gemacht hat.

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Teamspirit im Weingut Becker Landgraf - eben einfach J²

Die beiden agieren eben als Team und dieses Team ist vielleicht gerade deshalb so stark und erfolgreich, weil es gelingt, diese unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmale zuzulassen und kreativ zu nutzen. Dazu gehört auch die Arbeitsteilung, die sich zwischen den beiden eingespielt hat. Aber wenn es ans Eingemachte geht, wenn die Jungweine probiert und beurteilt werden, dann stehen sie wieder ausschließlich als Team auf dem Plan. „Wir füllen keinen Wein, den wir beide nicht vorher gemeinsam probiert und für gut befunden haben. Da sind wir ganz eng beisammen.“

Mein Fazit: Johannes Landgraf ist bereit für die Abenteuer, die der Winzerberuf bereithält. Er besitzt die nötige Offenheit und Neugierde, um immer wieder genau hinzuschauen, immer wieder zu lernen, bewährte Rezepte in Frage zu stellen und auch mal ganz spontan seinem Bauchgefühl zu folgen. Und er ahnt, dass vielleicht genau darin ein ganz wichtiges Erfolgsrezept liegt:

„Der Faktor Mensch ist beim Weinmachen ein ganz wichtiger Punkt. Und wenn ein Mensch an was glaubt, dann ist er auch dazu in der Lage. Es macht einen großen Unterschied, ob ich einfach nur ein Regular abarbeite und das war's oder ob ich als Winzer von innen heraus für etwas einstehe.“

Im Ergebnis entstehen auf dem Weingut Becker Landgraf feine, recht geschliffene Weine mit enormem Trinkfluss, Weine, die trotz aller Tiefe und Konzentration immer auf der eleganten Spur unterwegs sind. Sie machen bereits in ihrer Jugend viel Spaß, insbesondere die höheren Qualitäten gewinnen aber eindeutig von etwas Reife. Aber schon die Qualität der Gutsweine ist jederzeit eine Versuchung wert.

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Tasting mit Johannes Landgraf

Im Anschluss an das Interview haben wir dann noch drei seiner Weine gemeinsam verkostet. Eine Riesling-Fassprobe des Jahrgangs 2020, einen ungemein frischen, cremigen Weißburgunder vom Muschelkalk und zum krönenden Abschluss den besten Spätburgunder des Hauses. Alles ziemlich geniales Zeug. Mehr darüber erfährst Du in der Podcast-Episode, die ich hier gerne noch einmal verlinke.


Online Tasting mit Johannes Landgraf am 30. April...sei dabei!

Ich bedanke mich bei beiden ganz herzlich für die Unterstützung der Episode, die zur Verfügung gestellten Weine und freue mich bereits heute auf das gemeinsame Online Tasting, das wir für den 30. April angesetzt haben. Tickets für dieses und alle anderen Online Tastings kannst Du über meine Website oder direkt bei Eventbrite bestellen.

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Alexander Pflüger ist der nächste Gast im Podcast von „Genuss im Bus“

Nächste Woche ist der Bad Dürkheimer Winzer Alexander Pflüger zu Gast hier im Podcast von „Genuss im Bus“. Sein Vater gehört zu den Bio-Pionieren des Landes und hat den Betrieb bereits vor über 30 Jahren auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt. Seit 2008 wird hier nun biologisch-dynamisch gearbeitet und die Idee verfolgt, die Weinbergsböden noch ein bisschen vitaler, die Rebanlagen noch ein bisschen gesunder und widerstandsfähiger zu machen.

Im Interview erläutert mir Alexander Pflüger unter anderem, wie und warum biodynamischer Weinbau so genial ist und auch in einem größeren Betrieb wie seinem eigenen exzellent funktioniert.

Also, schalte wieder ein, wenn in genau einer Woche die nächste Episode von Genuss im Bus an den Start geht.

Bis dahin mach’s gut und lass es dir schmecken.

Wolfgang

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