Karl May - Zwei Häuptlinge vertrauen in die eigene Stärke

Karl May - Zwei Häuptlinge vertrauen in die eigene Stärke


Karl May - Zwei Häuptlinge haben Vertrauen in die eigene Stärke

Im Rahmen einer weiteren Episode meines Wein-Podcasts „Genuss im Bus“ habe ich meine Tour durch Rheinhessen fortgesetzt und in Osthofen Fritz und Peter May getroffen - die beiden Brüder vom Weingut Karl May.

Karl May Weinberg SW

Foto: Michael Zellmer

Osthofener Underdogs geben Gas

In unmittelbarer Nachbarschaft des viel berühmteren Westhofens sorgen die beiden in den vergangenen Jahren - nicht nur mit ihrer Blutsbrüder-Linie - für viel Wirbel und katapultieren mit großem Schwung Osthofen auf die Landkarte des deutschen Weins. Berühmt werden sie zunächst vor allem ihrer exzellenten Rotweine wegen. Neben eleganten Spät- und Frühburgundern füllen sie auch wunderbare Tropfen aus internationalen Varietäten. Gänzlich untypisch für Rheinhessen ist ihr Rotweinanteil mit 25 Prozent. Logisch, viele Ingelheimer Betriebe kommen auf ähnlich hohen Rotweinanteil, einige liegen sogar darüber.

In der jüngeren Vergangenheit gefallen aber auch ihre Weißweine immer besser. Speziell ihre Riesling-Abfüllungen präsentieren sich ungemein brillant, fokussiert und mit einer nie dagewesenen Frische und inneren Spannung. Peter und Fritz scheinen ihren Stil gefunden zu haben.

Karl May 1 SW

Foto: Michael Zellmer

Frischer Wind kommt ins Weingut Karl May mit der Betriebsübernahme durch Peter und Fritz

Bereits kurze Zeit, nachdem die beiden Brüder das elterliche Weingut Karl May im Jahr 2005 übernehmen, stellen sie ihre Weinberge um und bewirtschaften sie seither nach ökologischen Richtlinien. Auch im Keller gehen sie andere Wege als ihr Vater. Sie haben die Spontangärung eingeführt und sie geben den Weinen mehr Zeit, um sich zu entwickeln. Dennoch sind sie ihrem Vater für dessen Lebenswerk ungeheuer dankbar. Peter meint:

Ohne seine geniale Vorarbeit hätten wir bei weitem nicht so schnell durchstarten können. Er war schon sehr offen für Qualitätsmaßnahmen im Weinberg. Trauben halbieren und Erträge reduzieren, gehörten für ihn genauso selbstverständlich zum Repertoir wie die Handlese. In Punkto Weinbergspflege war er schon ziemlich kompromisslos.

Karl May

Foto: Michael Zellmer

Karl May bleibt das große Vorbild für seine Söhne

Auf meine Frage, welches das größte Geschenk sei, das er ihnen bereitet hat, antwortet Fritz:

Er hat uns extrem stressfrei machen lassen, als wir in Betrieb gekommen sind. Von Anfang an hat er gesagt: Probiert euch aus, macht! Er ist uns einfach beratend zur Seite gestanden und wir konnten uns ganz ohne Druck ausprobieren. Also das war schon sehr groß. Auch früher während unserer Schulzeit hat er nie Druck aufgebaut. Wir durften Schüler und Jugendliche sein.

Karl May ist heute mit Mitte 70 noch immer im Weingut aktiv und lässt es sich nicht nehmen, seine Hacke auch dann noch zu schwingen, wenn alle anderen längst Feierabend machen. Nur dem aktiven Handballsport hat er abgeschworen, eine kleine Trainingseinheit mit den Enkeln ist natürlich jederzeit drin.

Weingut Karl May Fritz1

Das Weingut Karl May ist ein Brüder-Projekt

Zwischen Fritz und Peter gibt es keine originäre Arbeitsteilung. Die großen Entscheidungen werden gemeinsam getroffen und beim frühmorgendlichen Jour fixe besprechen sie, was ansteht und wer für was zuständig ist. Längst können sie nicht mehr alle anfallenden Arbeiten ihres mittlerweile 35 Hektar großen Betriebs alleine ausführen. Sie haben im Laufe der vergangenen Jahre ein motiviertes und einsatzstarkes Team um sich aufgebaut. Sie sind happy, dass ihnen das so gut gelungen ist.

Immer wieder denken die beiden darüber nach, den ökologischen Ansatz, den sie verfolgen, weiter auszubauen, also noch eine Schippe draufzulegen. Sie beschäftigen sich unter anderem mit dem Konzept der Biodynamie. Sie experimentieren mit den biodynamischen Präparaten und dem sanften Rebschnitt, sie produzieren seit drei Jahren ihren eigenen Kompost und bauen systematisch Humus auf.

Also wir entwickeln uns da schon weiter. Wir möchten das aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht an die große Glocke hängen. Wir wissen nur zu gut, dass es da mehr braucht als ein paar Präparate. Das ist ein längerer Weg. Aber wir interessieren uns dafür und probieren viele Dinge aus. Das wir das Weingut in einem Brüder-Projekt gemeinsam führen, sehen wir als großen Vorteil. Vor allem, weil wir uns so gut verstehen.

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Das Weingut Karl May jetzt mit neuer Produktionsstätte

Die Wachstumsprozesse während der vergangenen 10 Jahre führen dann irgendwann dazu, dass die Kapazitätsgrenzen der alten Betriebsstätte erreicht sind. Im Interview erklären mir die beiden die Zusammenhänge:

Wir haben jahrelang wirklich mit einem sehr hohen logistischen Aufwand gearbeitet. Wir waren auf drei Standorte verteilt und mussten oft ganz schön improvisieren. Die einfacheren Weine haben wir ein paar Kilometer entfernt von hier im Keller unseres Onkels ausgebaut. Da mussten wir eine ganze Reihe von Kompromissen eingehen, schließlich konnten wir da nicht täglich vor Ort sein. Und dann geht's los mit dem Transport der Weine, jeder Schritt ist einfach komplizierter. Kompliziertere Logik kostet Geld. Und nicht nur das, es geht zumindest teilweise auch mit qualitativen Einschränkungen einher. Und das haben wir jetzt einfach in unserem neuen Standort perfektioniert. Es ist alles an einem Ort, da ist viel Platz und wir müssen keine Kompromisse mehr eingehen. Jetzt können wir uns die Arbeitsschritte genau so zurechtlegen, wie wir sie brauchen und wie es der Jahrgang verlangt.

Karl May Weinkeller SW

Foto: Michael Zellmer

Neue Chancen kommen mit der neuen Betriebsstätte

Jetzt ist nicht nur sehr viel mehr Platz vorhanden, sondern die Anschaffung einer zweiten Presse erhöht die Flexibilität und Schlagkraft in den Erntewochen enorm und die Arbeit mit der Schwerkraft ersetzt anschließend das weniger schonende Pumpen. Kein Wunder, dass die Weinqualität seither noch einmal einen deutlichen Schub erfahren hat.

Das Ergebnis ist einfach nur richtig guter Stoff. Auf Guts- und Ortsweinebene macht das Zeug richtig viel Spaß, im Top-Segment, den Lagenabfüllungen wird’s komplex und anspruchsvoll. Das ist nicht jedermann’s Sache, eher was für Abenteurer und Entdecker. Also ganz im Sinne des berühmten Namensvetter. Winnetou und Old Shatterhand hätten ihre Freude an diesen Gewächsen und würden sicher ihretwegen jedes noch so hochprozentige Feuerwasser links liegen lassen.

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Weingut Karl May mit spannender Kollektion

Osthofener Riesling

Klares und intensives Bouquet von schön gereiften und konzentrierten Rieslingbeeren. Am Gaumen gehaltvoll und saftig, mit seidiger Textur und kraftvollem, lebendigem Finish.

Osthofener Goldberg Riesling

Tiefgründig und voller Spannung, dazu enorm frisch und lebendig und würzig-salzig im langen Ausklang. Enorm ausdrucksstark!

Westhofener Morstein Riesling

Kalkwürzige, schmutzig-erdige Noten mischen sich mit Anklängen an Zitrusfrüchte. Am Gaumen üppig, dicht und intensiv, rund und seidig. Sehr vital und energetisch und bei aller Kraft und Intensität zugleich super frisch und elegant.

Bechtheimer Geyersberg Pinot Noir

Ein gehaltvoller, kraftvoller und dennoch eleganter Pinot mit festen, aber feinen und würzigen Tanninen und einem langen, gut strukturierten und lebendig-frischen Abgang.

Osthofen Vordere Mulde Frühburgunder

Duft nach Beeren, Sauerkirschen und Rauchfleisch. Am Gaumen mischen sich Noten von Schokolade, Kuchengewürze und Kaffee dazu. Spannungs- und substanzreich mit feinkörnigen Gerbstoffen und schöner Nachhaltigkeit.

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Demnächst zu Gast bei Genuss im Bus ist Christine Ludt vom Weingut am Nil

In 14 Tagen geht es weiter. Mein Gast hier im Podcast wird dann Christine Ludt sein. Sie ist die neue junge Chefin des Weinguts am Nil in Kallstadt in der Pfalz. Weil sie dort binnen kürzester Zeit für viel Aufbruchsstimmung gesorgt hat, möchte ich mit ihr im Interview herausfinden, wie sie tickt und wie sie das alles geschafft hat.

Ich freue ich mich, wenn Du dann am 18. März wieder einschaltest. Bis dahin wünsche ich dir eine gute Zeit und sage für heute Tschüss und Auf Wiedersehen. Und nicht vergessen:

Lass es dir schmecken!

Wolfgang

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