Gast in einer weiteren Episode meines Podcasts "Genuss im Bus" ist mit Matthias Wörner ein ganz besonderer junger Mann. Er geht gleich in mehrfacher Hinsicht einen ziemlich unkonventionellen, ganz und gar eigenständigen Weg. Das, war er tut und wie er es tut ist meilenweit vom Mainstream entfernt.
Damit meine ich nicht nur im engeren Sinne die Stilistik seiner Weine, sondern sein Gesamtkonzept: Wie er lebst, wie er arbeitet und welche Rolle in diesem Ensemble das Projekt Weinbau spielt.
Das ist, wenn man so will, ein radikaler Gegenentwurf zu den gemeinhin üblichen Vorstellungen, wie man erfolgreich ein Weingut betreibt und wie man erfolgreich als Winzer unterwegs ist.
Nach seiner Ausbildung zum Winzer bei den VDP-Weingütern Salwey in Baden und Müller-Catoir in der Pfalz, dem Studium zum Oenologen in Geisenheim und weiteren Stationen in Südafrika und Australien, hat Matthias Wörner in 2017 auf dem elterlichen Hof in Durbach sein Weingut gegründet.
Aber es ist nicht nur ein Weingut, sondern ein Hofgut. Ein Hofgut mit 5 Hektar Steillagenweinberge, Wald und Wiesen mit altem Obstbaumbestand. Organisiert nach einem maximal ressourcenautarken Prinzip und maximalen Synergieeffekten.
Moderne Technik kommt nur im Notfall zum Einsatz. Logisch, dass Matthias seine Weinberge naturnah bewirtschaftet, auf selektive Handlese setzt und im Keller ohne Reinzuchthefe, Schönungsmittel und Filtrationstechniken auskommt.
Seine Vorstellungen vom Weinmachen setzt Matthias bereits mit seinem ersten Jahrgang konsequent um. Er möchte keine Kompromisse machen, zumindest hinsichtlich der wichtigsten Grundfragen. Trotzdem musste er am Anfang viel improvisieren, schließend stand ihm kein umfängliches Equipment, keine moderne Kellerausrüstung zur Verfügung.
Manches hat er selbst gebaut oder gebraucht gekauft und dann restauriert. Seine handwerklichen Fertigkeiten haben dies möglich gemacht, ebenso seine Grundüberzeugung, Ressourcen zu schonen und es erst mal selbst zu probieren, bevor externe Mittel beschafft werden. Ohne Frage enorm wichtig war die Unterstützung seiner Vaters - ein versierter Handwerker und Bastler wie er im Buche steht.
Die Unbefangenheit, mit der ich hier von Anfang an ans Weinmachen rangehe, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass wir hier keine klassischen Weingutsstrukturen haben. Wir waren ja bis zum Jahr 2017 reine Traubenerzeuger und in den Generationen zuvor eigentlich ein landwirtschaftliches Mischkonstrukt. Dabei ging es immer auch um das Thema der Selbstversorgung. Ich bin jetzt die fünfte Generation, die den Hof hier bewirtschaftet. Mein Papa ist noch unter Bedingungen aufgewachsen, als hier noch das komplette Programm bespielt wurde, also Landwirtschaft, Tierzucht, daneben Weinbau, Streuobstwiesen und Wald.
Seine Begeisterung für Wein entdeckt Matthias während seines Studiums in Geisenheim. In gemeinsamen Verkostungen mit den Kommilitonen Julian Huber, Patrick Adank, Tobias Knewitz, Friedrich Keller und der Kommilitonin und heutigen Lebensgefährtin Laura Seufert wird sie zur Leidenschaft. Worum es ihm geht, bringt Matthias so auf den Punkt: „So natürlich wie möglich, aber immer mit wachem Blick auf Stilistik, Ausdruck und Qualität der Weine“.
Viel benötigt es dafür nicht. Aus seiner heutigen Sicht versperrt zu viel Technik sowieso nur den Blick für das Wesentliche. Im Gefühl der scheinbaren Sicherheit, dass es die Technik schon richten wird, gehe der Fokus dann oft ganz schnell verloren.
„Eigentlich ist es ganz einfach. Ich versuche gesunde und reife Trauben nicht zu spät zu ernten und diesen Schatz dann in den Keller zu bringen. Anschließend geht es nur noch darum, diesen Schatz zu erhalten."
Ungemein tiefenentspannte Weine sind das Ergebnis. Sie unterscheiden sich deutlich vom gängigen Typus des badischen Weins. Sie kommen ungemein schlank und super frisch daher, komplett durchgegoren und ausgestattet mit einer lebendigen Säure. Puristisch eben.
Matthias ist in der Ortenau zu Hause, genauer gesagt in der Weinbaugemeinde Durbach. Es ist ein kleines Naturparadies. Nach Westen sind Straßburg und der Rhein nicht weit, im Osten erhebt sich der Schwarzwald. Obst und Blumen gibt es hier in Hülle und Fülle, dazu sanft geschwungene Weinbergskämme, idyllische schmale Täler und steile Hänge.
Matthias' Weinberge liegen im Seitental Sendelbach und profitieren dort aufgrund ihrer Höhenlage und einer weitgehend nach Osten und Norden gerichteten Exposition von einem vergleichsweise kühlen Klima. In Verbindung mit den Gneis- und Granitböden sind das gute Voraussetzungen, um kraftvolle, aber im Kern eher elegante, schlanke und säurefrische Weine auf die Flasche zu ziehen.
Die natürlichen Rahmenbedingungen allein ergeben jedoch nicht die Weine, die ich bei Matthias verkostet habe. Seine persönliche Handschrift spielt eine ebenso große Rolle.
Es ist wichtig, dass man eine feste Vorstellung hat, welchen Typus Wein man erreichen möchte. Und dann ist natürlich alles, was dann im Weinberg passiert, eine Folge dessen.
Ich hatte Gelegenheit, drei seiner Weine zu verkosten. Die waren so genial, dass ich vermute, das sich auch der andere Teil seines Sortiments (Rosé, Grauburgunder, Weißburgunder...) auf ähnlich hohem Niveau präsentiert.
Riesling
Subtile, super feine Nase mit filigraner Frucht und dezent rauchen und phenolischen Anklängen. Es folgen steinige, mineralische Noten und eine leichte Reduktion. Extrem spannend. Ungeheuer frisch und saftig mit viel Grip am Gaumen. Seine enorme innere Spannung trägt diesen Riesling hinein in ein langes Finale. Enorm trinkanimierend.
Spätburgunder
Ein Spätburgunder zum Zischen! In der Nase lebendig und dezent fruchtig mit Anklängen Sauerkirschen und Mandeln. Besonderheit: 30 Prozent ganze Trauben mit carbonischer Mazeration! Am Gaumen präsentiert er sich frisch und vital mit einer ungemein seidigen Gerbstoffstruktur. Perfekt balancierter Holzeinsatz, tiefgründig und finessenreich. Trinkspaß auf hohem Niveau!
Roter Traminer
Diese seltene Sorte ist auch unter den Synonymen Savagnin Rose und Klevener de Heiligenstein bekannt. In Deutschland wird sie selten angebaut, wenn dann vor allem in der Gemeinde Durbach. Ein Teil der Trauben wird maischevergoren, Gärung im Holzfass und mit minimalem SO2 abgefüllt. Das ist unglaublicher Freakstoff. Extravagant und unvergleichlich. Expressive Duftigkeit. Salzig, hefig, rotbeerig mit Anklängen an Orangenzeste. Stoffige Textur. Und trotzdem sehr puristisch und in sich ruhend. Hat Trinkfluss wie ein roter Poulsard aus dem Jura. Groß!
Schon heute zieht sich ein roter Faden durch das gesamte Sortiment. Es sind durch die Bank authentische, elegante, enorm substanzreiche und spannungsgeladene Weine. Sie sind eher auf der kühlen, frischen und vitalen Seite unterwegs und dennoch mit einer bemerkenswert raffinierten Power ausgestattet.
Da ist ein Konzept und eine Handschrift erkennbar. Und viel Leidenschaft. Wenn dann demnächst Laura Seufert hier aufschlägt, werden spannende, neue Impulse das Hofleben um weitere Facetten bereichern. Die gute Erdung wird bleiben, so viel ist sicher. Es verspricht, spannend zu bleiben.
Die Welt um uns herum ist turbulent und gerät mancherorts sogar aus den Fugen. Dennoch gehen - zumindest hierzulande - die Dinge weiter. Auch hier im Podcast. In 14 Tagen bin ich ein weiteres Mal in der Ortenau unterwegs, dann mit einem jungen Winzer verabredet, der früh - noch während seiner Ausbildung - völlig unerwartet seinen Vater verloren hat und deshalb zu einem Zeitpunkt loslegen musste, als seine Altersgenossen gerade Abitur machten.
Das ist nun ziemlich genau 10 Jahre her. Was Johannes Kopp seither auf die Beine gestellt hat und wie er mit den Aufgaben auch persönlich gewachsen ist, das ist eine wirklich beeindruckende Geschichte. Ihn vor Ort in Sinzheim zu besuchen und dabei einem sehr ernsthaften, nachdenklichen und zugleich ungemein tatkräftigen, zupackenden Menschen zu begegnen, war ein berührendes Erlebnis.
Das Interview, das ich mit ihm geführt habe, ist im Podcast "Genuss im Bus" in 14 Tagen zu hören. Ich freue mich, wenn du dann am 29. April wieder einschaltest und bei der nächsten Episode von Genuss im Bus dabei bist. Der begleitende Blog-Beitrag ist dann hier zu lesen.
Bis dahin wünsche ich dir eine gute Zeit und sage für heute Tschüss und Auf Wiedersehen. Und nicht vergessen:
Lasst uns für den Frieden eintreten!
Wolfgang
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