Mein Weg zum Wein verlief auf einem schmalen Grat zwischen Faszination und Irritation. Wenn Du ihn kennst, wirst Du verstehen, weshalb mir heute bestimmte Dinge wichtig sind und andere eine geringere Bedeutung haben. Und was ich daraus für Schlussfolgerungen für die Arbeit mit meinen Kunden gezogen habe.
Ich war Ende zwanzig, als ich begann, mich für Wein zu interessieren. Wenn ich mich heute frage, was damals ausschlaggebend war, ein so lebhaftes Interesse für Wein zu entwickeln, waren das vor allem zwei unterschiedliche Erfahrungen oder Erlebnisebenen.
Die Faszination, die mich packte, ging allerdings nicht vom Wein selbst aus, sondern von der Welt, die ihn repräsentierte. Noch bevor ich mich so richtig für den Duft und Geschmack eines Weines erwärmen konnte, hatte ich auf Reisen gesehen, wo er entsteht. Ich hatte die steilen Hänge der Mosel und die weißen Kreideböden in der Champagne durchstreift, ich hatte die Schlösser im Médoc und im Rheingau bestaunt und die Wiener Heurigen-Lokale besucht.
Ich hatte die Bedeutung und Wertschätzung erfahren, die Wein in den guten Restaurants dieser Welt genoss und die Sorgfalt, mit der er serviert wurde. Dicke Weinkarten und das andächtige Zeremoniell flösten zwar gehörigen Respekt ein, machten mich jedoch zugleich neugierig. Ich wollte wissen, wie diese Welt zu ihrer Aura gekommen war, wollte hinter die Kulissen schauen und das Faszinosum begreifen.
In vielen Werken der Weltliteratur begegnete ich immer wieder der Auffassung, dass Wein ein Juwel menschlicher Kulturleitung sei. Goethe sagte einmal: „Das Weintrinken ist ebenso eine Lebenskunst wie Musizieren, Dichten und die Malerei.“
Ende der 1980er Jahre lief der Film „Die Weinmacher“ im Deutschen Fernsehen. Der Filmemacher Christian Ritschert eröffnete ungemein spannende Einblicke in Geschichte und Entwicklung des Weinmachens und seine Gespräche mit einigen der schillerndsten Winzerpersönlichkeiten dieser Zeit ließ in mir das Bild einer faszinierenden Welt entstehen. Ich fühlte mich angezogen und erlebte damit gerade den Beginn einer Leidenschaft.
Andererseits erlebte ich mich ziemlich unbeholfen im Umgang mit Wein, wenn ich ihn im Glas hatte. Ich hatte bereits meinen ersten Bordeaux-Jahrgang eingekellert, doch noch immer kam ich bei der Beurteilung nicht über ein einfaches „Schmeckt!“ beziehungsweise „Schmeckt nicht!“ hinaus. Es fiel mir sehr viel leichter, die Angaben der Flaschenetiketten zu verstehen und die Besonderheiten bedeutender Anbaugebiete auseinanderzuhalten, als die Botschaften von Nase und Gaumen zu entschlüsseln.
Die Grands Crus Classés des Médoc konnte ich entsprechend ihrer Klassifizierung mühelos aus dem Stegreif aufsagen. Aber wenn ich einen Wein im Glas hatte, fehlten mir die Worte. Mir wollte es einfach nicht gelingen, das, was ich roch und schmeckte, mit dem Wortschatz, der mir zur Verfügung stand, zu beschreiben. Auch schien mein Erinnerungsvermögen zu versagen. Ich erkannte die Weine einfach nicht wieder, auch wenn ich sie schon mehrmals zuvor im Glas gehabt hatte, Wenn ich gefragt wurde, was mir an dem einen Wein so besonders gut gefiel oder weshalb ich einen anderen weniger mochte, verstieg ich mich in nichts sagende Plattitüden. Ich fühlte mich unter Druck und wünschte mir die Leichtigkeit eines Schmetterlings.
Hatte ich einen besonders teuren Wein im Glas, stellte sich ein erhabenes Gefühl ein und ich wähnte mich Teil einer stilvollen, aparten Weinkultur. Aber insgeheim wusste ich, dass ich die besondere Qualität dieser teuren Geschöpfe gar nicht erschmecken konnte. Insbesondere wenn ich Sommeliers oder besonders eloquenten Weinhändlern lauschte, wie versiert und bilderreich sie einen Wein beschrieben, machte sich stets eine gewisse Beklommenheit breit. Ich glaubte damals tatsächlich, an einem sensorischen Wahrnehmungshandicap zu leiden. Oder hatte ich bislang einfach nur den falschen Weg eingeschlagen?
Am Rande einer Veranstaltung lernte ich den weltberühmten Grafen Matuschka-Greiffenclau kennen, dem damals das Schloss Vollrads im Rheingau gehörte. Zunächst sprachen wir darüber, was gelungene Wein-Käse-Kombinationen auszeichnet und wieso so mancher Weißwein besser als viele Rotweine zum Käse passen. Der ebenfalls anwesende Graf Adelmann vom gleichnamigen Weingut in Kleinbottwar stimmte den Ansichten seines Rheingauer Grafen-Kollegen schweren Herzens zu. Zuvor hatte er vergeblich versucht, seine ansonsten überaus köstlichen Württemberger Rotweine als Käsebegleiter in Szene zu setzen.
Dann lauschte ich eine ganze Weile dem Diskurs der sprachlich ungemein virtuosen Grafen. Sie tauschten Meinungen zu dem ein oder anderen Wein, beschrieben ihren Duft mit allerlei Anspielungen an weiße, gelbe und rote Früchte, Gewürze, Blumen und Kräuter. Ich war ziemlich beeindruckt, nahm dann aber all meine Courage zusammen und stellte folgende Frage: „Kann auch ich jemals eine so intime Beziehung zum Wein bekommen und all die schönen Dinge riechen und schmecken, wie das Ihnen auf so unnachahmliche Weise gelingt?“
Die Antwort von Graf Matuschka werde ich nicht vergessen. Er sagte sinngemäß: „Nichts ist auch nur annähernd so lehrreich, wie das wiederholte und stets aufmerksame Verkosten. Probieren und immer wieder probieren, lautet deshalb mein Tipp. Vergleichen Sie und finden Sie heraus, was Sie mögen und was Sie nicht mögen. Und versuchen Sie dabei konkret zu sagen, warum Sie den einen Wein sympathisch finden, den anderen hingegen nicht. Sie müssen in einem Wein nicht dieselben Aromen riechen und dieselben Dinge schmecken, die andere riechen und schmecken. Jeder hat in Geschmacksfragen persönliche Vorlieben. Das ist beim Wein nicht anders als auf den Feldern der Kunst, Musik und Literatur.
Finden Sie Ihre eigene Sprache, Ihre eigenen Ausdrucksformen für das Sinnliche und Emotionale beim Weinverkosten. Sehr hilfreich ist es, wenn Sie sowohl Ihre persönlichen Eindrücke als auch die wichtigsten Etiketteninformationen in einem eigens zu diesem Zweck angelegten Heft festhalten.“
„Schlagen Sie einen systematischen Weg ein“, ergänzte der Graf. Zwei unterschiedliche Vorgehensweisen hatten sich aus seiner Sicht bewährt, wobei er meinte, die eine sei so gut wie die andere. „Nur anfangen ist wichtig“, fuhr fort. Entscheiden Sie sich einfach für die Variante, die Ihnen sympathischer ist. Vielleicht testen Sie den zweiten Weg zu einem späteren Zeitpunkt.“ Und dann erläuterte er mir die beiden Wege, die mich meinen Zielen näher bringen würden. Noch heute bin ich Graf Matuschka dankbar für seine genialen Empfehlungen.
Weil sie auch für Dich und Deinen Weg zum Wein sehr wertvoll sein können, will ich ihnen einen eigenen, ausführlichen Blog-Beitrag widmen, der genau heute in einer Woche erscheinen wird. Schau dann einfach wieder hier vorbei oder trag Dich in meinen Newsletter-Verteiler ein, dann informiere ich Dich, sobald der Artikel erschienen ist.
Bis dahin gilt wie Immer:
Wolfgang Staudt
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Wolfgang Staudt
Gitta Eckl-Reinisch
ein sehr schön, bildreich geschriebener Artikel!
Vielen Dank für das Teilhaben-Lassen an Deinen ersten Erfahrungen, die so oder ähnlich wohl schon viele gemacht haben, ohne jedoch in der Folge Deine weitere Schritte zu unternehmen ... die Du uns ja im nächsten Blog-Artikel verraten wirst. Darauf freue ich mich bereits jetzt!
Wolfgang Staudt
vielen Dank für Dein schönes Feedback und das feine Mitschwingen, das ich Deinen Worten entnehme.So macht das weitere Schreiben noch mehr Spaß. Herzliche Grüße...
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