In zwei Podcast-Episoden spreche und verkoste ich mit Sven Leiner, einem Winzer, der in keine der gängigen Schubladen passt, wenngleich sich die eine oder andere durchaus anbietet. Sven Leiner hat gelernt mit den unterschiedlichen Zuschreibungen umzugehen: Biodynamiker, Naturweinwinzer, Landweinfreak, junger Wilder mit Designerbrille, ja sogar Mistkerl nennen ihn einige und spielen dabei mit einem Augenzwinkern auf den Dung an, den er in seine Rebanlagen einbringt.
Sven Leiner ist ein unkonventioneller und vor allem kritischer Winzer, der die Dinge hinterfragt und sie nicht einfach deshalb tut, weil man das schon immer so gemacht hat. Er experimentiert gerne und viel, aber auch das nicht leichtfertig des Experimentierens willen, sondern nur, wenn er das zuvor reiflich durchdacht und kritisch abgewogen hat.
Hinzu kommt der Faktor "Bauchgefühl". Und da er schon oft sehr gut mit diesem Amalgam aus Ratio und Bauchgefühl gefahren ist, hat er allen Grund, auf diese bewährte Mixtur zu setzen, seiner Art, Entscheidungen zu treffen und die Dinge anzupacken, zu vertrauen.
Das Selbstbewusstsein, das daraus erwächst, spürt, wer sich in einen Gedankenaustausch mit Sven Leiner begibt. Aber sein selbstbewusstes Auftreten ist meilenweit entfernt von irgendeiner Art von Selbstzufriedenheit oder gar überheblicher Selbstverliebtheit. Sven Leiner ist ein bescheidener, gelassener und bodenständiger Typ, der nur das tut, wovon er überzeugt ist.
Beim Wein hat Sven Leiner ein Ideal und darauf zielt all sein Tun. Ihm geht es um authentische und unverfälschte Weine und er weiß, dass sie nicht von selbst entstehen. Sie sind letztlich immer das Resultat unzähliger Entscheidungen und Eingriffe des Winzers und Kellermeisters. Und auch ein bisschen Glück gehört dazu, vielleicht das Glück des Tüchtigen.
Sein zentrales Credo lautet, dass nur ein gesunder Weinberg Weine mit authentischem Herkunftscharakter ergeben kann. Deshalb gilt all seine Aufmerksamkeit dem Mikrokosmos Weinberg - dem Boden und seiner Nährstoff- und Wasserversorgung ebenso wie der Vitalität der Rebpflanzen.
Er betrachtet den Boden als lebendigen Organismus. Deshalb unterstützt er seine Lebendigkeit durch Kompost, ausgleichende Tees und Naturpräparate. Denn darauf reagieren die Reben ausgesprochen positiv, nämlich mit gesundem und ausgeglichenem Wuchsverhalten und der Fähigkeit, auch mal ungünstige Rahmenbedingungen wie z.B. Wassermangel parrieren zu können.
Im Keller verfährt Sven Leiner weitestgehend nach dem Prinzip des kontrollierten Nichtstuns und vertraut dem natürlichen Rhythmus des Weinwerdungsprozesses. Er verzichtet auf Schönung, schwefelt seine Weine während der Ausbauphase kaum und vergärt die meisten Moste spontan.
Im Ergebnis entstehen Weine, die - genau wie er selbst - in keine der gängigen Schubladen passen. Das sind individuelle, charakterstarke Typen, die nicht selten auch den Horizont der Qualitätsweinprüfung sprengen. Das ist der Grund, weshalb Sven Leiner sich entschlossen hat, seit dem Jahr 2018 sein gesamtes Sortiment als Landweine zu vermarkten, der Qualitätsweinprüfung also aus dem Weg zu gehen und stattdessen den Pfaden der Landweinbewegung rund um ihren Pionier Hanspeter Ziereisen zu folgen.
Über all das und noch viel mehr sprechen wir zunächst im Interview, das ich mit ihm in seinem Weingut in Ilbesheim geführt habe. In einem zweiten Schritt verkosten wir zwei seiner Weine und sprechen ausführlich über die Prozesse der Weinwerdung in Weinberg und Keller. Zunächst haben wir seinen Weißen Burgunder aus der Linie "Handwerk" im Glas, der wie alle Weine diese Linie vor allem den Charakter der Rebsorte widerspiegeln soll. Sie werden im Edelstahltank vergoren und sind ohne Restsüße, also sehr trocken ausgebaut. Als zweiten Wein verkosten wir den Weißen Burgunder "Kalkbank", ein hochwertiger, im Holz ausgebauter Lagenwein, der als Landwein jedoch den Lagennamen nicht führen darf. Beide Weine können direkt beim Weingut per Mail bestellt werden: info@weingut-leiner.de
Lass es Dir schmecken!
Wolfgang
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