Vincent Eymann ist 2015 ins kalte Wasser gesprungen und hat im zarten Alter von 23 Jahren den elterlichen Betrieb übernommen, einen der ältesten Biobetriebe der Pfalz. Nur wenige Weingüter arbeiten so nachhaltig und in einem umfänglichen Sinne ökologisch wie die Eymanns. Das und die Begegnungen mit zwei extrem begeisternden Weinen, einem sehr feinen flaschenvergorenen Sekt und einem ungewöhnlichen, aber ziemlich genialen Gewürztraminer, hatten mein Interesse nachhaltig geweckt. Und so habe ich mich auf den Weg in die Pfalz gemacht.
Das Weingut Eymann ist ein in vielerlei Hinsicht vorbildlicher Biobetrieb und das nicht erst, seit es angesagt ist. Bereits Vincents Vater hat ihn Anfang der 80er Jahre - gegen den Willen seines Vaters und selbstredend auch gegen die damals herrschende Auffassung vom Weinmachen - umgestellt und Jahr für Jahr ein bisschen näher an seine Idealvorstellung eines Weinbaubetriebs herangeführt, der seine Arbeitsprozesse in Weinberg und Keller im Einklang mit der Natur realisiert.
Logisch, dass Vincent und seine Geschwister ganz in diesem Sinne erzogen wurden und somit in eine Welt hineingewachsen sind, die nicht nur geprägt war vom ökologischen Weinbau, sondern auch von einem mit Bioprodukten gefüllten Kühlschrank und dem allmorgentlichen Gang in die Waldorfschule. Auch im Freundes- und Bekanntenkreis der Familie Eymann herrschten dieselben Werte und Grundeinstellungen vor.
Nach dem Abitur und einem Reise-Jahr studierte Vincent Eymann in Geisenheim "Internationale Weinwirtschaft" und absolvierte ein Vorpraktikum bei Deutschlands Sekt-Koryphäe Volker Raumland im rheinhessischen Flörsheim-Dalsheim. Gesundheitliche Probleme des Vaters führten nach Abschluss des Studiums zum nahtlosen Eintritt in den elterlichen Betrieb und der Übernahme der kompletten Verantwortung von Beginn an.
"Da hatte ich natürlich eine gewisse Narrenfreiheit. Das war damals super cool. Klar macht man da auch Fehler. Aber so lernt man auch. Das ein oder andere war sicher ein bisschen holprig am Anfang, aber es ist nichts Tragisches passiert. Auf jeden Fall hat das mir viel Selbstvertrauen gegeben, da direkt am Anfang für alles verantwortlich zu sein. Das hat mich mit Sicherheit auch gepusht und motiviert."
Im Rückblick ist Vincent Eymann dankbar für die vielen Anregungen und Tipps, die er von seinem väterlichen Freund Frank John bekommen hat. Schließlich hatte er als ungelernter Winzer und Absolvent der Internationalen Weinwirtschaft kaum Ahnung vom Weinmachen.
"Frank John hatte damals einen prägenden Einfluss auf mich. Er war ja ein sehr enger Freund meiner Eltern und da hat er mich in den ersten Jahren hier im Betrieb ein bisschen begleitet und an die Hand genommen. Ihn in ökologischen und önologischen Fragen zu Rate ziehen zu können, war schon ziemlich genial. Den Kontakt habe ich bis heute gehalten und so ist es nicht verwunderlich, dass seine Ansichten meine Herangehensweise und auch die Stilistik meiner Weine maßgeblich prägen."
Bis heute hat Vincent Eymann zwar erst 6 Jahre als Weingutschef auf dem Buckel, im Gespräch mit mir hat er jedoch so viel Weises und Durchdachtes so aufgeräumt und unaufgeregt vorgetragen, dass ich tief beeindruckt war. Das hatte ich von so einem jungen Kerl definitiv nicht erwartet. Und auch die Konsequenz, mit der er die Themen Biodynamie, Biodiversität und Artenschutz lebt und vorantreibt, hat mich nachhaltig berührt.
Für Vincent Eymann bedeutet biodynamischer Weinbau und die Demeter-Zertifizierung mehr als ein paar Präparate einsetzen und den Mondkalender befolgen. Ihm ist der ökologische Rahmen wichtig, also zum Beispiel die Fragen, ob ausreichend Ausgleichsflächen geschaffen wurden, ob vielseitige Begrünungsmischungen zum Einsatz kommen und was für den Artenschutz getan wird.
Dieses umfassende ökologische Selbstverständnis bildet den Markenkern des Weinguts Eymann. Das ist das, wofür sie stehen und deswegen haben sie auch ihre gesamte Fläche vom Bund für Umwelt und Naturschutz abnehmen lassen."Für uns sind die ökologischen Rahmenbedingungen ein Riesenthema. Wir haben die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit in unseren Markenfokus gerückt und zeigen das auch auf den Flaschenetiketten. Ich kümmere mich um Gehölzhecken, Insektenhotels, Bienen, Vogelhäuser und die Pflege von Trockenmauern. Das hat alles eigentlich mit dem Weinbau an sich nicht unbedingt was zu tun, aber für mich als ökologischer Winzer ist das sehr, sehr wichtig."
"Vom BUND lassen wir uns jedes Jahr ein paar Empfehlungen geben. Was können wir machen? Welche neuen Projekte könnten wir umsetzen? Beispielsweise haben wir kürzlich Häuschen für den Steinschmätzer gebaut, der sich wieder langsam hier in der Region ansiedelt. Und wir lassen uns immer wieder auch mal neue Vogelarten nachweisen, die in unseren insgesamt 120 Brutkästen ansiedeln, die wir über die Betriebsfläche verteilt haben - jüngst die Goldammer und der Bluthänfling."
Bäume gepflanzt. Das sind noch heute die größten und wichtigsten Rückzugsorte für Vögel und Kleintiere in der Gemarkung Gönnheim.
"Damit war er mit Sicherheit seiner Zeit voraus und hat bereits sehr viel Konsequenz bewiesen, als große Erntemengen im Fokus standen und selbst faule Traube vom Boden aufgelesen und in die Kelter gekippt wurden."
2017 hatte Vincent Eymann die Chance, einige Flächen in Bad Dürkheim und Wachenheim am Haardtrand zu übernehmen. Darüber ist er ziemlich happy. Nicht nur weil es sich um Lagen mit einem großartigen Qualitätspotenzial handelt, sondern auch weil sich die terrassierten Hanglagen mit den sie umgebenden Trockenmauern ganz wunderbar für ökologische Projekte nutzen lassen.
"Unsere Weine sind im Kern naturbelassene Weine. Wir lesen ausschließlich per Hand, verwenden für die Gärung keine Reinzuchthefen und setzen keine önologischen Additive ein. Wir pressen extrem schonend, schönen und filtrieren nicht und setzen Schwefel sehr zurückhaltend ein. Ansonsten sind unsere Weine relativ klassisch ausgebaut. Wir konzentrieren uns auf die klassischen Rebsorten und zielen nicht auf "Super Funky Natural Wines". Was ich anstrebe sind handwerkliche Herkunftsweine aus biologisch-dynamischem Anbau, also klassische große Weine mit Herkunftscharakter."
Das ist auch mein Eindruck. Die Weine, die ich verkostet habe, haben sich alle auf qualitativ hohem Niveau präsentiert, in sich ruhend, etwas zurückgenommen und unaufgeregt. Es sind keine Weine, die vordergründig von Frucht oder einer besonders intensiven Aromatik leben, keine Weine, die einem in die Nase springen. Ihren besonderen Charme entfalten sie erst am Gaumen. Sie besitzen Struktur, Grip, Tiefe und Länge. Sie bestechen durch eine seltene innere Ruhe und eine wunderschöne Harmonie - vom Start weg bis ins Finale.
Vincent und ich verkosten im Anschluss an unser Gespräch noch drei seiner Weine aus dem aktuellen Sortiment. Dabei vertiefen wir uns in die sensorischen Details dieser Weine, schauen aber auch auf die jeweils konkreten Entstehungsbedingungen. Ich fand das sehr aufschlussreich, weil Vincent dann doch mal sehr konkret erläutert hat, was er wann wie gemacht hat.
Drei super spannende Weine, wenngleich an diesem Tag der Gewürztraminer für mich persönlich den stärksten Eindruck hinterlassen hat. Logisch, das ist eine Momentaufnahme und garantiert der aktuellen Stimmungslage geschuldet. Dennoch ist dieser Gewürztraminer ein bemerkenswert eindringlicher und ganz außergewöhnlicher Wein!
Den Termin für das Online Live Tasting mit Vincent Eymann werde ich demnächst bekannt geben. Das ist - wie ich finde - eine tolle Gelegenheit, diesen jungen Gönnheimer Winzer, dem ich eine große Zukunft prophezeie, persönlich kennenzulernen.
Nächste Woche ist mit Stefan Bietighöfer noch einmal ein vergleichsweise junger Winzer zu Gast hier im Podcast „Genuss im Bus“. Aber das ist bei weitem nicht die einzige Gemeinsamkeit der beiden.
Auch Stefan Bietighöfer arbeitet biodynamisch und ist ein zertifizierter Demeterbetrieb. Und ebenso wie Vincent Eymann liegt der Sitz des Weinguts und der Großteil der Rebanlagen nicht am Hang, sondern in der Ebene, sozusagen im Hinterland der berühmten Pfälzer Terroirs entlang der Weinstraße.
Doch mit der richtigen Strategie - das zeigt sowohl Vincent Eymann als auch Stefan Bietighöfer - ist auch in diesen Lagen Eindrucksvolles möglich.
Also, schalte wieder ein, wenn in genau einer Woche die nächste Episode von Genuss im Bus an den Start geht und mit Stefan Bietighöfer ein dynamischer und zudem ungemein visionärer junger Winzer am Mikrofon Platz nimmt.
Bis dahin mach’s gut und lass es dir schmecken.
Wolfgang
H. Schlosser
das ist - wie bei den anderen Interviews - ein sehr informatives, offenes, ehrliches Gespräch mit einem Jung-Winzer, dessen Eltern ich schon seit langem kenne und schätze. Da habe ich viel Neues erfahren. Die Weine der Eymanns genieße ich schon lange. Doch ich wusste z.B. nichts von den nachhaltigen Maßnahmen für die Vögel. Da merkt man, dass hier Menschen mit der Natur und großem Verantwortungsbewusstsein arbeiten. Mit Vincent beginnt also eine neue Ära im Weingut. Danke für den schönen Podcast!
Wolfgang Staudt
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