Weingut von Winning - provokant klassisch Oldschool

Weingut von Winning - provokant klassisch Oldschool


Weingut von Winning - provozierend klassisch Oldschool

Für eine weitere Podcast-Episode habe ich mich auf den Weg gemacht, um in Deidesheim im Weingut von Winning zwei interessante Typen aufzusuchen - Stephan Attmann und Andreas Hütwohl. Die beiden bilden zusammen mit dem Außenbetriebsleiter Joachim Jaillet und dem Kellermeister Kurt Rathgeber seit vielen Jahren im Weingut von Winning ein super gut eingespieltes Quartett.

Sie sind damit hauptsächlich verantwortlich für die Erfolgsstory des Pfälzer VDP-Betriebes, der den Namen von Winning erst wieder seit der Übernahme durch den Unternehmer Achim Niederberger trägt. 2007 hatte Niederberger übernommen, 2009 fand die Umbenennung von Dr. Deinhard in von Winning statt.

VON WINNING Villa 2019 Fotograf Markus Bassler

Stephan Attmann und Andreas Hütwohl - die Protagonisten des Weinguts von Winning

Seit nunmehr 12 Jahren bilden Stephan Attmann und Andreas Hütwohl das Führungsteam im Weingut von Winning, ein Dreamteam wie beide einmütig bekennen. Andreas Hütwohl ist der stellvertretender Direktor und Exportmanager im Weingut und damit gleichzeitig die rechte Hand von Stefan Attmann, dem Geschäftsführer und eigentlichen Kopf des Unternehmens.

Andreas Hütwohl ist ein Kind des Ruhrgebiets, einer dicht besiedelten, biertrinkenden und industriellen Gegend zwischen Duisburg und Dortmund, und wuchs zwischen Ruhr und Rhein auf. Nach einigen beruflichen Umwegen ist er zu den Wurzeln seiner Familie zurückgekehrt: dem Weinbau in der Pfalz. Zunächst absolvierte er eine Lehre bei Weegmüller und Bassermann-Jordan, dann studierte er Weinbau und Önologie in Geisenheim und in Udine/Friaul. Seit fast elf Jahren ist er nun für von Winning in der ganzen Welt als Botschafter unterwegs.

Wenn allerdings im Herbst der neue Jahrgang heimgeholt wird, die Pressen ihre Arbeit aufnehmen und der Duft der gärenden Moste durchs Weingut zieht, dann ziehts ihn zurück nach Deidesheim. Schnell werden die Klamotten gewechselt und dann gehts ab in den Keller. Dabei zu sein, wenns überall gluckert und blubbert, das lässt Andreas sich nicht nehmen.

von Winning Attmann1

Stephan Attmann - Weinmacher aus purer Leidenschaft

Stephan Attmann hat es, wie er im Interview berichtet, bereits Anfang der 90er Jahre noch während seines Zivildienstes zum Wein hingezogen. Er ist damals zum ersten mal so richtig wertvollen Weinen begegnet - mit Eindrücken, die ihn nicht mehr loslassen sollten. Bereits während seines anschließenden Studiums der Pädagogik, BWL und Politikwissenschaft in Mannheim hat er mehr Zeit in Weinläden als im Vorlesungssaal verbracht und sich von seinem vinologischen Ziehvater, dem Weinhändler Thomas Boxberger auf Weine einschleifen lassen, die man, wie er sagt, heute gar nicht mehr bezahlen kann.

Dort fand der eine Teil seiner Genussbildung statt, der andere schloss sich in den Abendstunden an, wenn er seinen Job in der Küche des Spitzenrestaurants von Gabi und Norbert Dobler antrat. Stefan erinnert sich: „Ich hatte in diesen Jahren das Riesenglück, all diese Wahnsinnsweine aus Bordeaux und Burgund und der Champagne noch trinken zu dürfen, und es hat mich so bewegt, dass ich zukünftig nicht mehr irgendwas mit Betriebswirtschaft oder Lehramt zu tun haben wollte, mir war klar: Ich wollte Wein machen.“

von winning Faesser

Vorbild Frankreich - auf dem Teller, im Glas, im Weinberg und im Keller

Er hat dann eine Winzerlehre gemacht - übrigens bei Joachim Heger in Ihringen - und ist über Stationen im Burgund, der Betriebsleiterposition bei Dr. Siemens an der Saar weiter an die Nahe zur Gutsverwaltung Niederhausen-Schlossböckelheim gepilgert. Alles feinste Adressen und exzellente Gelegenheiten, Erfahrungen zu sammeln und Profil zu gewinnen. Als Stephan Attmann mit Mitte 30 auf Achim Niederberger traf, galt er bereits als Riesentalent, als leidenschaftlicher Visionär und kompromissloser Genießer.

Weil die beiden dieselben Leidenschaften und Visionen teilten, waren sie sich schnell einig. Mittelfristiges Ziel: das Weingut mit authentischen, ursprungstypischen Rieslingen in die Champions League zu führen. Niederberger gewährte Attmann alle Freiheiten, die er auf dem Weg dorthin beanspruchte. Es sollte ein von vielen damaligen Zeitgenossen als provokant eingestufter Weg werden. Nicht wenige wähnten den stürmischen Attmann mit dem, was er vorhatte, auf dem Holzweg. Um Holz ging es dabei tatsächlich.

von winning Weinberg

Burgundische Visionen für den Pfälzer Riesling

Neben durchaus weitreichenden Neuerungen bei der Pflege der Rebanlagen (u.a. Verzicht auf synthetischen Dünger und Glyphosat, Einführung der Dichtpflanzung) bildete tatsächlich die Nutzung von Holzfässern - anstelle der damals speziell für Riesling üblichen Edelstahltanks - den Kern der neuen Strategie. Da gab es für Stephan Attmann gar keine Alternative, es musste so kommen, wie er selbst erklärt: "Das war keine strategische Ausrichtung auf eine vermeintliche Marktlücke oder irgendwas. Und es ist nun mal Fakt, dass alle Weine, die ich mag, die mir schmecken und mich begeisterten, aus dem Holzfass kommen."

Sicher spielte da seine frankophile Ader eine große Rolle. Wenn er eine Vision des Pfälzer Rieslings in sich trug, dann hatte diese Vision viel mit den großen weißen Burgundern zu tun, mit Coche-Dury, Leroy, Raveneau und anderen Ausnahmeweinen. Auch Pfälzer Riesling, davon war Stephan Attmann felsenfest überzeugt, konnte die Größe und die königliche Haltung dieser großen trockenen Weißweine realisieren. Und um dies zu erreichen, auch da war er sicher, müsste man sie in Eichenfässern vinifizieren. Gleichzeitig wies er nicht zuunrecht darauf hin, dass es auch in der Pfalz eine lange, wenngleich seit ein paar Jahrzehnten verloren gegangene Tradition der Holzfassnutzung gegeben habe. Back to the roots!

von winning Andreas

Andreas Hütwohl gewinnt die Herzen der Menschen - weltweit

Weniger skeptisch als viele Winzerkollegen und so mancher Pressevertreter zeigte sich Andreas Hütwohl. Als er damals noch als Student zusammen mit seinem Stiefvater Hans-Günter Schwarz den ersten Jahrgang von Stephan Attmann verkostete, war er gleich Feuer und Flamme und so begeistert, dass für ihn feststand: "In diesem Weingut will ich arbeiten, will Teil dieser spannenden Weine sein und Teil der Aufbruchsstimmung, die Stephan verkörpert." Und weil sich die beiden von Anfang an super gut verstanden haben, hat Stephan Attmann kurzerhand eine neue Stelle geschaffen und Andreas Hütwohl eingestellt.

Heute sagt der Chef: "Einen besseren Botschafter für unsere Weine hätte ich mir nicht wünschen können. Er ist ein begnadeter Entertainer und er kann die Herzen der Menschen ganz leicht gewinnen, wenn er über Wein spricht. Zu sehen, wie happy die Teilnehmer nach einer Verkostung mit ihm sind, das ist auch für mich ein beglückendes Erlebnis. Dafür bin ich Andreas unendlich dankbar."

von winning Garten

Wenn Ideen Wirklichkeit werden - oder aller Anfang ist schwer

Stephan Attmann setzte also auf den Holzeinsatz. Doch zu Beginn wirkte die Art der Vermählung von Holz und Wein mehr wie eine Zwangshochzeit. Die Liaison hatte etwas Unglückliches, etwas Erzwungenes, aber das war nicht verwunderlich, schließlich brauchte es eine gewisse Zeit, bis sie Erfahrung gesammelt hatten und ein ausgewogenerer Mix von neuen und gebrauchten Fässern verfügbar war. Doch nach diesen zu erwartenden Anlaufschwierigkeiten kam die Wende mit dem Jahrgang 2012.

Kraftvoll, leidenschaftlich und wild waren die Weine auch noch in diesem Jahr, aber sie besaßen erstmals jene Feinheit und Eleganz, Tiefe und Komplexität, wie sie nur großen Weinen eigen ist. Vor allem aber strahlten sie eine viel größere innere Ruhe und Ausgeglichenheit aus. Ihre Pubertät hatten sie hinter sich gelassen. Vor ihnen lag nun - frei von allzu großen Hindernissen - der Weg zu immer größerer Feinheit, Ballance und Ursprungsidentität.

Bis heute ist ein Hauch des Fasseinflusses unübersehbar geblieben, wenngleich ein ungemein subtiler Hauch, der die Besonderheiten der einzelnen Lagen eher hervorzuheben als zu neutralisieren scheint. Etwa die elegante, feminine Art des Paradiesgarten, die Gelassenheit des Kirchenstücks, die rasierklingenscharfe Dramatik des Pechstein, die zarte, kühle Eleganz der Mäushöhle, den aristokratischen Langenmorgen, den exotischen Grainhübel, das muskulöse Ungeheuer oder die unkomplizierte Art des Reiterpfad.

von winning Hof

Von Winning bietet mehr als nur Riesling

Eine besondere Rolle im Weingut von Winning spielt - neben den Sorten Weißburgunder, Chardonnay und Pinot Noir - der Sauvignon Blanc. Stephan Attmann war von Anfang an überzeugt, dass sich rund um Deidesheim und Forst mit warmen Tagen, kühlen Nachmittagen und thermischer Abkühlung in der Nacht fantastische Bedingungen für diese Varietät finden. Am Ende wurden dann aber die hohen Erwartungen sogar noch übertroffen. "Das Besondere ist, dass es uns gelingt, die Trauben genau zu dem Zeitpunkt aromatisch reif zu ernten, wenn die Säure noch rassig und der Zucker noch moderat ist."

Und Andreas Hütwohl bringt die Bedeutung der Sorte für von Winning aus der Perspektive des Exportmanagers auf den Punkt: "Sauvignon Blanc ist für uns wichtig, weil Weinliebhaber in aller Welt die Sorte kennen und die Weine beurteilen können. Zugleich haben viele wenig Erfahrung mit großen trockenen Rieslingen. Die Verkostung unserer Sauvignons hat für viele die Tür zu unseren Rieslingen geöffnet!" Er hat im Rahmen unseres Podcast-Interviews eine Flasche Sauvignon Blanc 500 aus dem Jahr 2011 geöffnet und unserem Zusammentreffen damit die Krönung aufgesetzt. Was uns zu diesem fantastisch gereiften Wein - und dann noch zu zwei weiteren Gewächsen - alles eingefallen ist, erfährst Du, wenn Du Dir die ungemein spannende und lebhafte Episode anhörst.

Lieber Stephan und lieber Andreas, vom Taunus in die Pfalz rufe ich Euch zu: Vielen Dank für Eure Gastfreundschaft, das schöne Gespräch, das spannende Tasting und die wunderbare Zeit mit Euch und Hans-Günter Schwarz im Leopold, dem zu Eurem Weingut gehörenden Gourmet-Restaurant. Vielen Dank für Eure Unterstützung dieser Podcast-Episode. Auf hoffentlich ganz bald!

Franz Wehrheim

Zu Gast in der nächsten Episode von "Genuss im Bus": Franz Wehrheim

Zu Gast in der nächsten Episode von "Genuss im Bus" ist der Enkel eines frühen Lehrers von mir in Sachen Wein. Mit Ende 20, Anfang 30 habe ich ihn oft in Birkweiler besucht, mit ihm seine Weine verkostet und ihm dabei Löcher in den Bauch gefragt. Noch heute denke ich dankbar an diese wundervollen Begegnungen mit Dr. Heinz Wehrheim zurück und an eine Zeit, da die Uhren noch langsamer zu gehen schienen. Welcher Winzer kann sich heute noch Stunden für Gespräche mit einem jungen Hochschulassisten nehmen, der anschließend mit nicht mehr als zwei Kisten Wein wieder von dannen zieht?

In Birkweiler habe ich vor ein paar Wochen den Enkel dieses bemerkenswerten Winzers getroffen. Der noch jugendliche Franz Wehrheim ist gerade dabei, die Regie im familiengeführten Weingut zu übernehmen, strahlt aber bereits heute jene Liebenswürdigkeit aus, die mir hier auch früher so oft begegnet ist.

Ich denke, ich verspreche nicht zu viel, wenn ich schon heute vorweggreife und sage: Das wird ein ungemein offenes, ehrlich geführtes Interview mit einem hochintelligenten, zugleich unprätentiösen und bodenständigen Jungwinzer.

Ich freue mich, wenn Du wieder einschaltest, wenn mit Franz Wehrheim am 10. September eine weitere Episode von Genuss im Bus an den Start geht.

Bis dahin sage ich Tschüss und auf Wiedersehen, und wie immer - lass es dir schmecken!

Wolfgang

1 Kommentar

  • Ohne Zweifel einer Deiner besten und auch informativsten Episoden. Auch wenn ich einräume die Sache mit den reduktiven Holzfässern auch beim zweiten Mal durchhören nicht verstanden zu haben. Freu mich jedenfalls auf mehr.

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