Tobias und Björn vom Weingut G.A. Heinrich in Heilbronn blicken - mit gewissem Stolz - auf eine fast 500 jährige Weinbautradition in der Familie zurück. Absolut zurecht, auch wenn es sehr lange Phasen gab, in denen die Pflege der Weinberge nur eine untergeordnete Rolle spielte und die bewirtschafteten Weinberge sich nicht im Familienbesitz befanden.
Anfangs wurden die Weinberge der wohlhabenden Bürger, meist Industrielle und Fabrikanten im Lohn als sogenannte „Bauwengerter“ bearbeitet. Doch mit der Zeit gelang es, eigene Rebflächen zu erwerben. Zunächst wurden alle Trauben an die Genossenschaft verkauft. Doch schon Anfang des 20. Jahrhunderts erkannte die Familie das Potenzial einer eigenen Besenwirtschaft. Dazu wurde periodisch kurzerhand das Kinderzimmer ausgeräumt und zur herzhaften Wurst der selbst erzeugte Wein ausgeschenkt. Erst in den 50er-Jahren entschieden sich die Heinrichs, einen Keller eigens für die Bewirtung der Gäste umzubauen.
Dies war zu der Zeit, als Gustav und Adolf Heinrich, die Vorfahren der heutigen Inhaber den Betrieb führten. Nach ihnen ist das Weingut noch heute benannt: Weingut G.A. Heinrich. Mit dem Eintritt von Martin Heinrich, dem Vater von Björn und Tobias, in den Betrieb in den 70er Jahren ging der Entschluss einher, die gesamte Erntemenge selbst zu vermarkten. Diese Entscheidung machte einen Ortswechsel notwendig, raus aus der beengten Innenstadt Heilbronns, raus an den Stadtrand und mitten in die Weinberge.
Der Hauptvertriebskanal, die hauseigene Gastronomie wurde im Zuge dieses Aussiedelungsprozesses noch einmal intensiviert und so entwickelte sich das Weingut zu einem beliebten Ausflugsziel für die Heilbronner Bevölkerung und weit darüber hinaus. Bis der Stab dann im Juli 2013 an die Söhne Björn und Tobias übergeben wurde, hatte Martin Heinrich es von 3,5 ha auf 12 ha ausgebaut.
Tobias, der jüngere der beiden Heinrich Brüder hat - nach den notwendigen Vorpraktika - ein klassisches Studium in Geisenheim angetreten. Während dieser Zeit hat er mehrmals die Chance genutzt, Erfahrungen im Ausland zu sammeln - neben Neuseeland vor allem in Österreich und im Burgund.
Vor allem seine Zeit im Burgund ist ihm in nachhaltiger Erinnerung geblieben.
„Die Art, wie dort ans Weinmachen rangegangen wird, hat mich total begeistert und inspiriert mich bis auf den heutigen Tag. Die Hingabe und der Respekt, der da an den Tag gelegt und jeder einzelnen Traube und jedem Fleckchen Erde entgegengebracht wird, das ist schon sensationell. Zu sehen, wie detailversessen dort gearbeitet wird, hat unheimlich Eindruck hinterlassen und ich denke auch Spuren, die bis in die Gegenwart reichen. Erst während der Tage dort im Burgund habe ich die Bedeutung von Herkunft und Terroir so richtig verstanden.“
Björn hat einen dazu sehr konträren Weg hingelegt, bevor er mit Ende 30 vergleichsweise spät ins Weingut G.A. Heinrich eingestiegen ist. Zwar hat er nach dem Abitur eine zweijährige Winzerlehre absolviert, sich dann aber für ein Betriebswirtschaftsstudium mit dem Schwerpunkt Marketing entschieden, auch weil ihn die komplexen Vertriebsprozesse von Wein mehr interessiert haben als die verschiedenen Etappen seiner Bereitung.
Aber Björn ging dann nicht gleich zurück ins elterliche Weingut, ja er wusste lange nicht mal mit Sicherheit, ob dies jemals der Fall sein würde. Stattdessen trieb er sich - nachdem er seine Diplomarbeit in London beim Deutschen Weininstitut über den britischen Weinmarkt verfasst hatte - bis zu seinem 40. Lebensjahr in den Marketingabteilungen diverser Unternehmen der Konsumgüterbranche herum.
Die Entscheidung für seinen Entschluss, zusammen mit seiner Familie zurück nach Heilbronn zu gehen und zusammen mit Bruder Tobias das Weingut zu führen, war die Antwort auf eine ganz grundlegende Lebensfrage:
„Ich habe mich gefragt, auf was möchte ich einmal zurückblicken, auf eine Konzernkarriere oder die erfolgreiche Fortführung einer fast 500-jährigen Weinbautradition hier in unserem Familienweingut. Und irgendwann war die Antwort für mich ganz eindeutig und unumstößlich.“
Nachdem die beiden Brüder sich eine Weile beschnuppert und noch einmal von Neuem kennengelernt hatten, begann dann im Jahr 2013 ein ungemein spannender Prozess. Diskussionen entspannen sich weniger hinsichtlich der qualitativen, sondern vor allem im Hinblick auf die stilistische Ausrichtung des Betriebs.
Die stilistische Ausrichtung des Weinguts G.A.Heinrich hat dann ganz maßgeblich Tobias, der Burgund-Inspirierte jüngere der beiden Brüder geprägt.
"Wir streben mit unseren Weinen eine im Kern kühle, elegante und auf Trinkfluss ausgerichtete Stilistik. Hohe Qualität ist gesetzt, aber die wollen wir umsetzen in eine feine, eher unaufdringliche trinkanimierende Stilistik. Unsere Weine sollen nicht aristokratisch und anstrengend daher kommen. Ganz im Gegenteil, wir zielen auf Trinkspaß mit Anspruch.“
Bei all dem sind sich die beiden bewusst, dass sie mit ihren Weinen nicht unbedingt den Zeitgeist treffen.
„Der geschmackliche Mainstream ist noch immer ganz woanders beheimatet. Beim Rotwein sind Extraktreichtum, Voluminösität und eine tief-dunkle Farbe angesagt. Beim Weißwein liegen Primärfrucht und ein Schuss Restsüße im Trend. Da verfolgen wir doch schon eine ganz andere Richtung: konsequent trocken, kühl und eher karg als opulent.“
Diese stilistische Ausrichtung war für Björn Heinrich - ganz im Gegensatz zu Bruder Tobias - von Anfang an keineswegs selbstverständlich und gesetzt. Er sagt:
„Für mich war das nicht gleich so klar. Tobi musste mich da schon erst überzeugen. Ich fand diese burgundische Richtung anfangs schon auch schwierig. Tobi hat mir dann aber sehr viel Nachhilfe gegeben und am Ende des Tages hat er mich überzeugt, dass das der richtige, der für uns passende Weg ist. Und rückblickend kann ich sagen, es war die richtige Entscheidung.“
Die Begründung für diesen Weg fällt dann zwar bei den Brüdern Heirich unterschiedlich aus - Björn argumentiert primär mit rationalen Aspekten der Marktpositionierung, während Tobias sein Herz sprechen lässt - aber im Ergebnis kommen sie zum selben Ziel und genau das macht das Bruder-Projekt im Weingut G.A. Heinrich so unwiderstehlich wie vielversprechend.
Damit am Ende dann auch das in der Flasche ankommt, was die beiden sich vorgenommen haben, wird eine aufwendige Weinbergspflege betrieben. Jede Lage wird ganz individuell behandelt, abgestimmt auf ihre jeweiligen Stärken und Schwächen. Der betriebene Aufwand ist hoch, die Erträge sind niedrig.
"Wir streben perfektes, durch und durch gesundes Lesegut an. Dann können wir nämlich im Keller unsere Idee von einem idealen Vinifizierungsprozess realisieren und alles kann so schonend und interventionsarm wie möglich geschehen. Der werdende Wein braucht dann so gut wie keine Unterstützung, sondern kann weitgehend sich selbst überlassen werden."
Weil die Vermarktung des Trollinger immer schwieriger wurde, haben sich die Brüder Heinrich etwas ganz besonderes einfallen lassen. Nach dem Vorbild des Beaujolais füllen sie nun einen knackig-frischen, ungemein lebendigen und trinkanimierender Trollinger auf die Flasche. Und weil der doch so sehr anders schmeckt, als all das andere auf dem Markt, das sich Trollinger nennt, haben sie ihn TNT getauft - Trollinger Non Traditionel. In Wahrheit knüpfen sie mit diesem Wein jedoch an eine alte, längst vergessene Trollinger-Stilistik an.
Zum reinsortigen Trollinger ist dann ist dieser unkonventionellen Linie noch eine maischevergorene Cuvée aus Trollinger und Scheurebe hinzugekommen, die auf den Namen "Von Edelreich" hört. Ebenfalls ein Wein, der leichtfüßig, enorm saftig und mit schönem Grip daherkommt und viel Trinkspaß bringt.
Der dritte Wein im Bunde dieser unkonventionellen Linie ist der weiße "THE SHY DOC", eine reinsortige Scheurebe, direkt gepresst, spontanen vergoren und für vier Monate in einem Betonei gereift. "THE SHY DOC" wird unfiltriert und ungeschönt mit minimaler Schwefelgabe abgefüllt. In der Nase begegnet einem der duft nach Kräutern und Stachelbeeren. Am Gaumen zeigt sich feiner Grip, eine mundwässernde, sanfte Säure und eine fast schwebende Leichtigkeit. Das ist Trinkfreude pur!
Das übrige Sortiment des Weinguts G.A. Heinrich folgt der mittlerweile bereits klassischen Einteilung in Gutsweine, G.A.-Linie oder Ortsweine und in der Spitze die Lagenweine. Die Gutsweine präsentieren sich gradlinig, saftig und zupackend. Die G.A.-Linie zeigt mehr Konzentration und Tiefe und die Lagenweine zählen durch die Bank zur Gebietsspitze. Bei aller Kraft und Konzentration spielen sie doch primär auf der eleganten Seite. Sie leben weniger vom Alkohol als von einer lebendigen Säure und - im Falle der Rotweine - einer feinen und komplexen Gerbstoffstruktur. Insbesondere der Lemberger als der Einzellage Löwenherz benötigt ein paar Jahre Flaschenreifung, bevor er so richtig zeigt, was in ihm steckt.
Demnächt ist Ludwig Knoll vom Weingut am Stein zu Gast im Podcast "Genuss im Bus". Er ist ein Überzeugungstäter in Sachen Biodynamie und in jeder Hinsicht mit großer Leidenschaft und Perfektion unterwegs. Ein echter Leuchtturm in der Weinwelt Frankens.
Bis dahin wünsche ich Dir alles Gute und lass' es Dir schmecken!
Wolfgang
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