Das Weingut J. Neus im Podcast Genuss im Bus

Weingut J. Neus im Podcast Genuss im Bus

Die Renaissance der Rotweinstadt Ingelheim und ihre Protagonisten

So wie schon für die vergangene Episode meines Podcasts "Genuss im Bus" habe ich mir auch diesmal wieder ein Investorenweingut vorgeknöpft. In Ingelheim habe ich das Weingut J. Neus besucht und dort die drei Protagonisten des Betriebs ans Mikrofon geholt - den Inhaber Christian Schmitz, Betriebsleiter Lewis Schmitt und Kellermeister Toni Frank.

Die drei sind Teil des immer dynamischer auftretenden Ingelheims - zusammen mit Simone Adams, Jens Bettenheimer, Carsten Saalwächter und Thomas Werner, die alle schon mal hier im Podcast zu Gast waren oder Teil meines neuen Buchs sind, das im Mai gedruckt vorliegen wird. Sie alle knüpfen mit Elan und viel Tempo an die wirklich große und bemerkenswerte Weinbautradition der Kaiser-Stadt am Rhein an.

Das Weingut J. Neus ist Teil der Renaissance der Rotweinstadt Ingelheim

Gemeinsam ist ihnen, dass sie alle weitgehend von vorne anfangen müssen. Das verlangt Mut und Kreativität. Hinzu kommen müssen eigene Ideen und Konzepte und die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen. Das birgt Gefahren, aber auch große Chancen. Die jungen Wilden, aber auch das Weingut J. Neus nutzen sie mit enormem Elan. Es ist vor allem ihr Verdienst, dass Ingelheim auf Deutschlands Weinlandkarte heute wieder zu sehen ist.

Dabei ist Ingelheim keine kleine Weinbaugemeinde, sondern mit gut 600 Hektar Rebfläche größer als so manches Weinbaugebiet. Mehr als die Hälfte davon ist mit roten Trauben bestockt, rund 60 Prozent davon entfallen auf den Spätburgunder. Spannende Resultate erbringen hier auch die anderen Burgundersorten, der Frühbugunder, Grau- und Weißburgunder und Chardonnay.

Bewegende Geschichte des Weingut J. Neus

Das Weingut J. Neus wird 1881 von Josef Neus senior gegründet und seit 2012 von der Unternehmerfamilie Schmitz aus Mainz geführt. Bekannt geworden ist das Weingut Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur wegen herausragender Weinqualitäten - wie Weinkarten und Preislisten aus der Gründungszeit eindrucksvoll belegen - sondern auch aufgrund weinbaulicher Aktivitäten.

Besonders verdient gemacht haben sie sich um einen Burgunderklon, den später sogenannten Neus-Klon, der in der ganzen Region von vielen Spitzenweingütern angepflanzt wird. Auch heute bildet dieser Klon die Basis des Spätburgunder-Bestandes des Weinguts Neus mit vielen ungemein originellen Abfüllungen.

Christian Schmitz - der wein- und genussaffine Investor

Doch ohne die Investitionen von Christian Schmitz wäre das, was viele heute bewundern, nicht möglich geworden. Allein die Sanierung der baufälligen Wohnvilla verschlingt einen siebenstelligen Betrag. Hinzu kommen die Umbauten des Weinguts mit Vinothek, Verkostungsraum und Büros. Inzwischen finden in der Villa vor dem 2500 Quadratmeter großen, ebenfalls weitgehend neu angelegten Garten viele Seminare und Tagungen statt.

Die aufwendigen Sanierungsarbeiten haben sich gelohnt. Das gesamte Ensemble ist nun vom „Great Wine Capitals“-Netzwerk mit dem „Best of Wine Tourism Award“ für Architektur, Parks und Gärten ausgezeichnet worden. Die Jury lobt, dass Christian Schmitz die neoklassizistische Gründerzeitvilla samt Parkanlage und Weingut neu belebt habe. In der Tat ist das auch mein Eindruck bei meinem Besuch vor Ort - alles strahlt hier eine „zeitlose Eleganz“ aus, eine subtile Harmonie zwischen Tradition und Moderne.

Investor, Betriebsleiter und Kellermeister - im Weingut J. Neus ist ein Team am Werk

Die größte Herausforderung für das Team besteht darin, die große Tradition des Weingut J. Neus zu bewahren und gleichzeitig so innovativ zu sein, dass es gelingt, sich in der Gegenwart mit guten Produkten und einer zeitgemäßen Kommunikation erfolgreich zu positionieren.

Im Zuge dieser Entwicklungen ist es in den vergangenen Jahren auch zu einer Neuausrichtung bei der Weinstilistik gekommen. Die Lese erfolgt früher, nämlich dann, wenn die Trauben reif, aber nicht überreif sind. Der Ausbau ist schonend und interventionsarm.  Die Lagerzeit auf der Hefe wird weiter ausgedehnt. Im Ergebnis entstehen alkoholärmere, frischere Weine mit mehr Säurespiel.

Schmerzlich daran ist, dass ein Großteil der alten Kundschaft da nicht mitgegangen ist. Christian erklärt:

Die alte Kundschaft des Weinguts hat sich peu a peu verabschiedet. Die waren ja hier Kunden, weil ihnen genau die früher hier gepflegte Stilistik gut gefallen hat. Natürlich hat man die Hoffnung, dass man doch mehr Kunden halten kann. Wir haben um jeden Kunden gekämpft, aber irgendwann sieht man, dass das dann doch nicht aufzuhalten ist. Wir haben wirklich nur noch vielleicht ein Dutzend der alten Kunden halten können und mussten uns dann jeden neuen Kunden mühsam auf dem Markt suchen. Und das ist natürlich in der heutigen Zeit nicht ganz so einfach. Da muss man schon viel bringen und es ist auch ein langer Weg. Man muss lange Zeit am Markt dann wieder Topleistung abliefern, bis die Kunden sagen 'Ich bin bereit, den Winzer zu wechseln und einem neuen Betrieb eine Chance zu geben'.

Der Prozess der Umstellung zum ökologischen Weinbau

Das aktuell wohl wichtigste Projekt im Weingut J. Neus besteht in der Umstellung zum ökologischen Weinbau. 2023 wird der erste Jahrgang sein, der bio-zertifiert in den Handel kommt. Für alle drei ist die Umstellung ein Herzensprojekt. Toni meint:

Die Umstellung beginnt im Kopf. Also wenn du dazu nicht bereit bist, dann wird es eine Qual. Denn es gibt einiges, was man mehr machen muss, um dann hintenraus sogar bereit zu sein, ein bisschen weniger zu ernten. Dafür aber auch wieder ein Mehr an Qualität. Ich denke, auf der Suche nach Qualität stolpert letztendlich jeder über den ökologischen Weinbau. Typisch deutsch oder europäisch daran ist leider, dass man dann ganz viel Papierkram zu erledigen hat, dass man ständigen Kontrollen unterliegt, dass dann Stichtage festgelegt werden, wo dann bestimmte Dinge erledigt sein müssen.

Erfolgsentscheidend ist, dass das Team vom Weingut J. Neus in dieser wichtigen - wie scheinbar auch in allen anderen - Frage an einem Strang zieht. Die Stimmung untereinander ist super, die drei Männer verstehen sich.

Auf meine Frage, ob Christian als Chef eine gute Figur macht, meint Toni:

Die Mitarbeiterführung ist eine echte Stärke von ihm. Das genießen wir alle sehr. Wir haben sehr viele Freiheiten und wenn mal was aus dem Ruder läuft, fängt er es wieder ein. Es macht echt viel Spaß, mit ihm zusammen zu arbeiten.

Weingut J. Neus mit spannendem Wein-Portfolio

Rosé

Das ist ein sehr erfreulicher Rosé, der das kalkhaltige Terroir von Ingelheim erkennen lässt. Am Gaumen ist er frisch, rund und charmant und zeigt im Finale Ausdrucksstärke und salzigen Grip.

Spätburgunder Muschelkalk

Florale und fruchtige Noten verweben sich zu einer feinen und eleganten Nase. Am Gaumen ist dieser Gutswein seidig und frisch, gut strukturiert und nachhaltig. Charakterstark.

Spätburgunder Horn GG

Der Horn Spätburgunder GG offeriert eine tiefe, würzige, sehr elegante und beeindruckende Nase mit Aromen, die mit etwas Luft zunehmend komplexer werden. Am Gaumen präsentiert er ungemein vital und erfrischend und sehr fein in seiner seidigen Gerbstoffstruktur. Kraft, Intensität und Finesse spielen großartig zusammen.

Spätburgunder Pares GG

Der Pares Spätburgunder GG bietet eine würzige Nase mit roter und schwarzer Beerenfrucht und feinen floralen Noten. Der Gaumenauftritt zeigt gute Konzentration und Tiefgründigkeit, zugleich Eleganz und enorme Saftigkeit. Die Gerbstoffstruktur ist präsent und mit der nötigen Frische unterlegt. Der kraftvolle Abgang weist auf viel Entwicklungspotenzial hin.

Ingelheimer Chardonnay

Der Ingelheimer Chardonnay offeriert ein intensives und kreidiges Bouquet mit feinen Fruchtanklängen und sehr dezenten Noten vom Holzfass. Am Gaumen ist er rund und saftig, ungemein frisch und so schön harmonisch, dass man gar nicht wieder von ihm lassen mag.

Demnächst zu Gast im Podcast "Genuss im Bus"

In 14 Tagen geht es weiter. Dann bin ich in der Ortenau unterwegs und hole einen jungen Winzer ans Mikrofon, der in vielerlei Hinsicht einen ziemlich unkonventionellen, extrem eigenständigen Weg eingeschlagen hat. Was er tut, ist meilenweit vom Mainstream entfernt. Damit meine ich nicht nur im engeren Sinne die Stilistik seiner Weine, sondern vielleicht mehr noch sein Gesamtkonzept: Wie er lebt, wie er arbeitet und welche Rolle in diesem Ensemble das Projekt Weinbau spielt. Das ist, wenn man so will, ein radikaler Gegenentwurf zu den gemeinhin üblichen Vorstellungen, wie man erfolgreich ein Weingut betreibt. Eine wirklich wundervolle Geschichte ist das.

Deshalb freue ich mich ganz besonders, wenn du am 15. April wieder einschaltest. Dann nämlich geht die nächste Episode von Genuss im Bus an den Start und mit Matthias Wörner nimmt ein echter Charakterkopf am Mikrofon Platz.

Bis dahin wünsche ich dir eine gute Zeit und sage für heute Tschüss und Auf Wiedersehen. Und nicht vergessen:

Lasst uns für den Frieden eintreten!

Wolfgang