Weinkenner, Weinliebhaber und Weinwissen

Weinkenner, Weinliebhaber und Weinwissen

Mein Opa war ein Weinliebhaber, aber sicher kein Weinkenner. Er mochte Wein, das schon. Der Wein hatte es ihm angetan. Er war Fan, aufrichtiger Genießer. Weinwissen, so wie es heute viele Weinliebhaber haben, besaß er nicht.

Wenn wir Gäste hatten, holte er eine Flasche aus seinem kleinen Weinkeller, öffnete sie mit Bedacht, roch zunächst am Korken, dann am Wein. Es folgten dann „Hmmms“ und „Oohs“ und bedeutungsschwere Gesten.

Ich war damals noch ein Kind, aber ich verstand, dass es sich hier wohl um etwas ziemlich Wertvolles handeln musste.


Weingespräche

Sofort suchte er das Gespräch auf den Wein zu lenken. „Was meint ihr: Kommt er vom Rhein oder von der Mosel?“

Und ohne die Antworten der Anwesenden abzuwarten, fragte er weiter: „Welcher Jahrgang?“ „Welche Rebsorte?“


Mitunter wurde dann über die Qualität des ausgeschenkten Weins heftig gestritten. „Viel zu süß“, meinten die einen, „könnte gerne noch etwas süßer sein“ die anderen. Da ich dieses Erwachsenen-Theater nicht mochte, habe ich mich meistens schon bald verdrückt.

Schätze im Weinkeller

Viel lieber mochte ich es, wenn mein Opa mir seinen Weinkeller zeigte. Das tat er ziemlich oft. Er schien diesen muffigen Kellerraum sehr zu mögen.


Wenn er dann die ein oder andere Flasche aus dem Regal hervorholte, strahlte er und es lagen Glanz und Freude in seinen Augen.

Besonders stolz war er auf die älteren Weine in seinem Lager. Er schaute sie an wie ein echter Weinkenner.

Er war der festen Überzeugung, dass Wein mit zunehmendem Alter immer besser und wertvoller wird. Er meinte, die Weine aus meinem Geburtsjahrgang könnte ich ja dann auch später mal probieren.


Wein oder Wissenschaft?

Dann starb mein Opa und ich ging studieren. In den Marburger Studentenkneipen wurde Bier getrunken.

Ich hatte meinen Opa und seine Begeisterung für Wein längst vergessen, als ich mich im Jahr 1992 für ein paar Wochen in die Nähe von Bordeaux zurückzog, um an meiner Dissertation zu arbeiten.

Statt mich dem wissenschaftlichen Arbeiten zu widmen, begann ich zu flirten.


Mit dem Wein flirten

Es war ein Flirt mit der Weinlandschaft des Médoc, den Schlössern der Weinproduzenten und der langen Geschichte des Weinbaus in dieser Region. Ich sprach mit Winzern und erspürte ihre ungeheure Leidenschaft für ihre Produkte und den Schaffensprozess vom Weinberg bis in die Flasche.

Ohne es damals zu ahnen, begann in diesen Tagen ein langsamer Abschied von der Wissenschaft und ein unaufhaltsamer Prozess, das wieder in mein Leben zu holen, das mein Opa mir vor langer Zeit mit auf den Weg gegeben hatte.


Die Liebe zum Wein

In der Zwischenzeit sind 25 Jahre vergangen und ich habe tatsächlich den Wein lieben gelernt und jede Menge Weinwissen angesammelt. Und wahrscheinlich wird niemand widersprechen, wenn ich für mich Weinkennerschaft reklamiere. Ich schreibe und unterrichte. Rund 20.000 Teilnehmer haben meine Kurse besucht und ich habe mehrere Bücher über Wein geschrieben.


Nur wer den Wein liebt, ist ein Weinkenner

Doch eine ganz wesentliche Erkenntnis, die ich nach all den Jahren und tausender Tastings gewonnen habe, mag dich verblüffen:

Weinkenner sein, so wie ich es verstehe, bedeutet in erster Linie, einen Wein zu lieben.

Wissen ist nützliches Beiwerk. Doch nur wer den Wein liebt, kann ein echter Kenner sein. Kompaktes Weinwissen bekommst du in meinem Buch: Weinwissen kompakt!


Unterscheide Wichtiges von Unwichtigem

Es ist weder notwendig, den Namen jeder Rebsorte zu kennen, noch muss man jedes Anbaugebiet bereist haben. Du musst auch nicht unbedingt wissen, wie Wein im Detail gemacht wird, welche Fässer dabei zum Einsatz kommen und wieso so viele Kellermeister alles daran setzen, den biologischen Säureabbau zu verhindern.

Achte auf ein vernünftiges Glas und die passende Trinktemperatur und fang einfach an Schau dir dazu auch dieses Artikel von mir an: Manifest.

Aber sei achtsam! Nimm dir Zeit und sei unvoreingemommen. Das ist entscheidend!


Weinkennerschaft verlangt Achtsamkeit

Nimm zunächst einfach nur wahr, ohne zu bewerten. Was siehst du (Bedeutung der Farbspiele), riechst du, schmeckst und fühlst du? Nimm es einfach nur wahr.

Fokussiere deine Aufmerksamkeit ganz auf die Begegnung. Das ist ein fantastischer Entdeckungsprozess.

Wenn es dir gelingt, dich in diesen Prozess zu vertiefen, wirst du nicht nur den ganzen Facettenreichtum eines Weines erspüren, sondern auch jede Menge über dich selbst erfahren.

Und wenn du dann einen Moment inne hältst und an die Erde und den Regen denkst, die Sonne und den Wind, die Rebpflanze, den Winzer und Kellermeister, die alle zusammen das Glück, dem du im Glase begegnest, möglich gemacht haben, dann ist es nicht ausgeschlossen, dass du gerade einen bewegenden Moment erlebst.


Wenn du nun ein Urteil fällen möchtest, tue es: Schmeckt er dir? Was gefällt dir an ihm, was nicht? Wenn du ihm das erste Mal begegnest und er gefällt dir nicht, gib ihm eine zweite Chance.

Suche nach Gelegenheiten, die sein Temperament und seine Stärken gut zum Ausdruck bringen. Dann performt er noch mal so gut.

Wer in diesem Sinne die Begegnungen mit Wein achtsam und liebevoll gestaltet, ist in meinen Augen ein echter Weinkenner.

So verstandene Weinkennerschaft war meinem Opa sicher nicht fremd. Auf seine Art hat er den Wein geliebt. Das war unverkennbar, wenn er für mich eine Flasche aus dem Regal hervorholte.

Er strahlte und es lagen Glanz und Freude in seinen Augen.


 

 

Auf bald!

 

Wolfgang

 

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5 Kommentare

  • An alle Weinkenner, Weinliebhaber oder auch Gelegenheitstrinker!

    Im Rahmen eines Master Projektes sind wir dabei herauszufinden, auf was denn die Weinkonsumenten von heute beim Weinkauf besonders wert legen.

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    Wer uns so kurz vor Ostern noch eine extra große Freude machen will, der kann die Umfrage gerne teilen 😊

    Besten Dank an alle, die sich angesprochen fühlen und uns unterstützen!
  • Ein sehr schönes Plädoyer für den Umgang mit Wein - unverkrampft, genussorientiert, entdeckungsfreudig. Die emotionale Nähe zum Vater und Großvater spürt man und ich kann sie aus eigenem Kontext gut nachempfinden. Das ist zusätzlich sympathisch und glaubwürdig.
  • Hallo lieber Norbert, meine Botschaft ist also angekommen. Das ist schön zu lesen. Viele Grüße nach Berlin...
  • Hallo Herr Staudt, das mit Ihrem Papa tut mir ehrlich leid, ich hatte Ihnen dazu auch, glaube ich, eine Mail geschrieben. Aber irgendwie muß ich Ihnen widersprechen, ein Weinkenner ist in meinen Augen ein Experte, einer, der sich auch wissenschaftlich mit Wein auskennt. Insofern sind Sie m.E. sicherlich ein solcher, denn Sie haben sich wahrlich lange damit beschäftigt, sehr viel Wissen angeeignet und auch das ein oder andere Diplom in diesem Bereich erworben. Ein Weinliebhaber ist in meinen Augen aber jemand, der den Wein ehrlich liebt und das nicht, weil er morgen beim Essen mit dem Chef auftrumpfen möchte. Jemand, der sich der Vorfreude hingibt wenn er Wein trinken möchte und sich überlegt, welcher Wein heute zu seiner Stimmung, zu seinem Zustand zu seiner Gesellschaft passen könnte. Jemand, der seine Phantasie walten lässt, was sich da hinter dem Korken oder dem Schraubverschluss verbergen mag und der voller Spannung darauf wartet, den ersten Schluck zu kosten. Jemand, der in der Tat dem Wein auch eine 2. Chance gibt und der Bier trinkt, wenn ihm danach eher zumute ist. Und vor allem nicht beides mischt! Insofern ist ein Liebhaber auch ein irgendwie Kenner, aber sicherlich nicht im maximalen wissenschaftlichen Sinn. Seine Liebe zum Wein bringt ihn Glas für Glas auch in der Kennerschaft ein wenig weiter. Aber in einer anderen Liga. In diesem Sinne... LG O. Z.
  • Hallo Herr Zucker, sie beschreiben das aus meiner Sicht wunderschön. Dem habe ich wenig hinzuzufügen. Und dann ist es am Ende doch unerheblich, wie wir das Kind benennen. Mir war wichtig, die Bedeutung von Achtsamkeit, Aufmerksamkeit und Unvoreingenommenheit bei den Begegnungen mit Wein ins rechte Licht zu rücken. Wer darüber hinaus Interesse für die Entstehungskontexte entwickelt und den Einfluss von Klima, Lage und Mensch versteht, der kann die Begegnung mit Wein noch ein bisschen reicher gestalten. Liebe Grüße...

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