Saar-Rieslinge waren einmal die teuersten Weine der Welt, teurer als die besten und gefragtesten Gewächse aus Bordeaux und Burgund. Zwei Weltkriege und der Holocoust hinterließen viele Trümmer. Mit der Vertreibung und Ermordung der jüdischen Weinhändler, die den Saarwein einst in alle Welt vermarktet hatten, war der Niedergang vorgezeichnet. Endgültig besiegelt wurde er durch die Nachkriegsentwicklung.
Den kriegsbedingten Rückschlägen folgte die Euphorie des Wirtschaftswunders. Zunächst schien es, als würde dem Weinbau mit allerlei technischen und chemischen Verlockungen neues Leben eingehaucht. Schnell wurde jedoch offensichtlich, dass die Saar vom Trend der Zeit nicht würde profitieren können. Vor allem billig sollten die Weine im Nachkriegsdeutschland sein.
Das alles war Gift für den Steillagenweinbau zwischen Konz und Serrig. Die extrem steilen Hänge besitzen außergewöhnliche Qualitätspotenziale, sind aber nur sehr aufwendig von Hand zu bewirtschaften. Das treibt die Produktionskosten in die Höhe, nicht selten auf das fünf- bis sechsfache von Regionen, die überwiegend in der Ebene produzieren können. Die auf dem Markt erzielbaren Preise waren dagegen so niedrig, daß die Jugend abwanderte. Eine Zukunft im Weinbau sahen immer weniger Betriebe.
Das deutsche Weingesetz des Jahres 1971 setzte der unheilvollen Einwicklung dann die Krone auf. Durch den Verzicht auf eine Lagenklassifizierung und die gesetzliche Gleichstellung kleiner Spitzenlagen mit Großlagen ohne Qualitätspotenzial entschied man sich für die Gleichmacherei. Das Einfache war vom Besonderen nicht mehr zu unterscheiden. Weltklasselagen gingen im Meer der Bezeichnungen unauffindbar unter.
Für den Steillagenweinbau an der Saar waren das bittere Jahrzehnte des Leidens und Entbehrens. Immer wieder kam es vor, dass Betriebe frustriert aufgaben und beste Weinbergsparzellen unbewirtschaftet blieben. Die Region siechte vor sich hin und stand Ende der neunziger Jahre kurz vor dem endgültigen Kollaps. Als unerschütterlicher Fels in der Brandung verblieb in all diesen Jahren allein Egon Müller.
Doch seit ein paar Jahren ist vieles anders. Neuer Schwung hat die Region erfasst und so mancher Beobachter kommt heute zu dem Schluss, dass die Weine des kühlsten deutschen Anbaugebietes, - das übrigens nicht im Bundesland "Saarland", sondern in Rheinland-Pfalz liegt - wieder Weltklasse-Niveau erreicht haben.
Wer sich umschaut, dem begegnet eine verschworene, fast kollegiale Gemeinschaft. Nicht ein großer Leader führt die Region an, sondern eine Bewegung ist im Gange. Jung und alt, große und kleine Betriebe, Establishment und Newcomer - alle ziehen sie an einem Strang, marschieren in dieselbe Richtung, die Marke "Saar-Riesling" fest im Visier.
Typischer Saar-Riesling kann sowohl trocken als auch frucht- und edelsüß daherkommen. Allen gemein ist ihre ungeheure Leichtigkeit und die Trinkfreude, die sie versprühen.
Das Duftbild dieser Weine ist meist puristischer als das ihrer Brüder und Schwestern von der Mosel, der Mundgefühl wirkt mineralischer. Je nach Reifegrad kommt eine Spur Mango, Birne, Bratapfel und feiner Darjeeling Tee zum Vorschein. Dazwischen mischen sich mal rauchige, mal steinige Nuancen. Auf der Zunge geht die Post ab, fetziger Rock'n Roll. Zum Abschied spielt sich eine tolle Salzspur ein, die im Falle der großen trockenen Exemplare enorm viel Druck entwickeln kann.
Saar-Riesling begeistert vor allem mit seinem feinziselierten, lebhaften Säurespiel. Es kleidet den gesamten Mundraum aus, wirkt haptisch weniger direkt auf der Zunge, sondern mehr an den Wangeninnenseiten. Die besten Saar-Rieslinge bieten mehr Gefühl als Geschmack. Sie wirken animierend und trinkfreudig.
Bei aller geschmacklichen Intensität bewahren sich diese Riesling stets eine ganz wundervolle Leichtigkeit und Beschwingtheit. Sie scheinen Flügel zu haben. Das ist ein Weinstil, wie er nur an der Saar und in keinem anderen Weinbaugebiet der Welt möglich ist. In einer Zeit, in der immer mehr Verbraucher die Lust auf alkoholbeschwerte Weine satt haben, liegt der Saar-Riesling damit im Trend des geschmacklichen Zeitgeists (siehe hierzu den Artikel über Dessertweine und fruchtsüße Weine).
Daran hat vielleicht auch der Klimawandel einen gewissen Anteil. Während viele andere Weinbaugegenden in der Welt unter seinen Effkten leiden und immer mehr Weine mit extrem hohem Alkoholgehalt hervorbringen, hat der Temperaturanstieg an der Saar bislang eher positive Effekte. Früher gelang es höchstens zwei- bis dreimal in einem Jahrzehnt, reife Trauben zu ernten. Heute gelingt dies im Grunde Jahr für Jahr.
Anders als in den wärmeren Anbaugebieten erlauben die klimatisch kühleren Bedingungen an der Saar, die Trauben sehr lange am Stock hängen lassen und erst Ende Oktober oder gar im November zu ernten. Dieser ausgedehnte Vegetationsprozess bringt Früchte mit hoher physiologischer Reife bei gleichzeit moderatem Zuckergehalt hervor, die Basis für die unverwechselbare, weltweit einmalige Saar-Stilistik: kühl, schlank, elegant, strahlend, von kristallklarer Frische und mit einer faszinierenden Säure, die am Gaumen eine salzig-mineralische Spur hinterlässt. Es sind besonders lager- und entwicklungsfähige Weine, die oft ihre ganze Klasse erst nach ein paar Jahren, manchmal Jahrzehnten der Flaschenreife zeigen.
Foto: Andreas Durst
Daß die Region heute wieder an ihr früheres Renommée anknüpfen kann, verdankt sie ganz maßgeblich Roman Niewodniczanski, der mit seinem Weingut "Van Volxem" nahezu im Alleingang die Region neu belebte. Er reanimierte alte Spitzenlagen, wagte sich an eine trockenere Stilistik heran, trommelte unermüdlich für die Saar-Weine und versprühte bei jeder Gelegenheit viel Leidenschaft und Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Aber das ist selbstverständlich keine One-Man-Show. Für den Saar-Riesling, seine Qualität und seine weltweite Reputation legen sich immer mehr Winzer des Gebietes ins Zeug. Im frucht- und edelsüßen Segment sind das neben dem Platzhirsch Egon Müller in Wiltingen vor allem Dorothee und Hanno Zilliken vom Weingut Forstmeister Geltz Zilliken in Saarburg und Maximilian von Kunow vom Weingut von Hövel in Oberemmel.
Auch von Othegraven in Kanzem, seit ein paar Jahren im Besitz von Günther Jauch, weiß mit seinen restsüßen Abfüllungen zu glänzen. Die Kabinette verbinden Frische und einen schlanken Körper mit einer unnachahmlichen Eleganz. Auch die Spät- und Auslesen aus den Lagen Altenberg und Bockstein kommen stets wohl proportioniert, elegant und dennoch energisch und im Finale druckvoll daher.
Beim stilistischen Gegenpol, den trockenen bis halbtrockenen Saar-Rieslingen trumpfen neben den enorm stoffigen und tiefgründigen Gewächsen von Van Volxem in Wiltingen vor allem Florian Lauer vom Weingut Peter Lauer in Ayl, Claudia und Manfred Loch vom Gut Herrenberg in Schoden sowie die Nachwuchstalente Stefan Müller in Krettnach und Stephan und Michael Weber vom Weingut Weber Brüder in Wiltingen mit enorm eigenständigen Abfüllungen auf.
Sowohl Stefan Müller als auch die Weber Brüder haben binnen weniger Jahre gezeigt, wie schnell es möglich ist, Anschluss an das hohe qualitative Niveau der renommierten Betriebe in der Region zu finden, wenn Visionen mit Begeisterung und viel Herzblut umgesetzt werden. Im Weinberg wird akribisch und naturnah gearbeitet, im Keller minimalistisch. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Es sind ungemein eigenständige und charaktervolle Weine mit viel Substanz, Druck und Reifepotenzial, dabei zugleich leicht und wundervoll trinkanimierend.
Vier weitere erstklassige Produzenten sind Schloss Saarstein in Serrig, der in Leiwen an der Mosel ansässige Nik Weis vom St. Urbans-Hof, die Familie Weber vom Gut Falkenstein in Niedermennig und Christiane Wagner vom Weingut Dr. Wagner in Saarburg. Hier werden sowohl erstklassige trockene wie fruchtsüße Vertreter produziert.
2017 Ayler Riesling Fass 2 trocken, Weingut Peter Lauer - 15 Euro
2017 Saarburg Riesling feinherb, Zilliken - 13 Euro
2017 Schloss Saarsteiner Riesling Kabinett feinherb, Schloss Saarstein - 12 Euro
2017 Riesling Alte Reben, van Volxem - 16 Euro
2017 Wiltinger Riesling Aphrodite feinherb, Weber Brüder - 9 Euro
2017 Krettnacher Euchariusberg Riesling Alte Reben Spätlese, Stefan Müller - 12 Euro
2017 Wiltinger Riesling Alte Reben feinherb, Nik Weis - 16 Euro
2017 Hütte Riesling Kabinett, von Hövel - 15 Euro
2017 Bockstein Riesling Kabinett, von Othegraven - 15 Euro
2017 Herrenberg Riesling LochRiesling, Weingut Herrenberg - 12 Euro
2017 Altenberg Riesling Spätlese trocken, Falkenstein - 12 Euro
Weinhotel Ayler Kupp, Trierer Str. 49a, 54441 Ayl
Villa Keller, Brückenstr. 1, 54439 Saarburg
Lasst es Euch schmecken!
Wolfgang Staudt
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Jürgen Collé
Auch zu beachten ist Felix Weber
Heike Groß,Wiltingen
Wolfgang Staudt
vielen Dank für diesen tollen Hinweis. Bei meinem nächsten Saar-Besuch werde ich mir das Hotel auf jeden Fall anschauen und dann natürlich auch einen Blick auf die Speise- und Weinkarte werfen.
Viele Grüße
Wolfgang
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