Passito ist die Bezeichnung für Dessertweine aus Italien, die von Trauben gewonnen werden, die nach der Ernte unter einem Dach auf Horden oder in Spankörben zunächst teilgetrocknet werden, bevor sie dann – teilweise über mehrere Jahre hinweg – vergoren werden. Die Tradition dieser „Passito-Weine“ geht auf die Griechen zurück. Sie verdrehten die Stiele der Trauben am Stock so, dass die Mittelmeersonne diesen innerhalb weniger Tage enorm viel Wasser entzog und die reifen Trauben noch im Weinberg zum Eintrocknen brachte.
Ob nun die Trocknung unter der Sonne stattfindet oder in gut belüfteten Räumen, das Ergebnis ist ein stets außerordentlich konzentrierter und reichhaltiger Wein. Passito-Weine sind eine italienische Spezialität. Sie werden dort in fast allen Regionen in geringen Stückzahlen hergestellt und gelten als rare Köstlichkeiten.
Der hierzulande wohl bekannteste italienische Passito ist der Vin Santo aus der Toskana. Gerade abgefüllt präsentiert er sich in kräftigem Goldgelb, bevor er dann nach Jahren der Flaschenreifung allmählich ins Bernsteinfarbene übergeht. In der Nase erinnert dieser Dessertwein an getrocknete Aprikosen und Feigen, an Honig, Karamell und Melasse. Sein Gaumenauftritt ist ungemein konzentriert und dicht. Leider verfügen längst nicht alle am Markt erhältlichen Exemplare über jenes Maß an Säure und Frische, das erforderlich ist, um einen harmonischen Gesamteindruck zu hinterlassen.
Der Most aus Malvasia- und Trebbiano-Trauben wird nach Beendigung der Trocknungsphase („appassimento“) und der anschließenden Pressung in kleinen 50-Liter-Eichenfässern vergoren. Da diese sogenannten „caratelli“ meist auf dem Dachboden lagern, wird die Gärung von der Winterkälte unterbrochen und setzt dann mit den ersten warmen Tagen des Frühjahrs wieder ein. So mancher erstklassige Vin Santo fermentiert auf diese Weise mehr als fünf Jahre, bis er endlich abgefüllt werden kann.
Den damit verbundenen Aufwand nehmen in Italien jedoch nur wenige auf sich. Viele entehren den „heiligen Wein“ gar, indem sie zunächst den Most mit Konzentrat anreichern und ihn dann nachträglich mit Weingeist „aufspriten“. So entsteht der klebrig süße, ungemein stark nach Alkohol schmeckende Vin Santo Liquoroso, ein Dssertwein schon, aber keine Delikatesse.
Zu welch ungewöhnlicher Feinheit der wahre Vin Santo fähig ist, demonstriert am besten die Cantina Avignonesi in Montepulciano. Dieser Dessertwein ist von fast öliger Konsistenz, herb-süß im Geschmack, mit einem spürbaren Teerstich ausgestattet und von einem aromatischen Reichtum, der hinter dem einer edlen Trockenbeerenauslese kaum zurücksteht.
Die Grechetto-, Trebbiano- und Malvasia-Trauben werden hier so lange getrocknet, bis sich der Zucker in ihnen auf ein Höchstmaß konzentriert hat. Anschließend wird gepresst, und der dickflüssige Most gärt über unglaubliche acht Jahre in den „caratelli“. Zur aromatischen Verfeinerung wird stets noch ein wenig „madre“ zugegeben, die „Mutter des Heiligen Weins“ – das sind Rückstände von Hefezellen und Fruchtfleischteilen, die sich bei der Gärung vorheriger Weine auf dem Boden der Fässer abgesetzt haben.
Die Qualität der „madre“ ist der entscheidende Faktor für die Güte eines Vin Santo. Ihre Qualität steigt vor allem mit ihrem Alter – die „madre“, die heute von Avignonesi verwendet wird, ist fast hundert Jahre alt. Das Ergebnis ist reiner Nektar. Von hundert Kilogramm Trauben entstehen weniger als zehn Liter Vin Santo.
Mit dem Occhio di Pernice setzt Avignonesi noch eins drauf: Dieser charaktervolle, finessenreiche Dessertwein zählt ohne Zweifel zu den ganz großen Süßweinen der Welt. Gemeinsam mit den besten deutschen Trockenbeerenauslesen teilt er jedoch das Schicksal der extrem geringen Verfügbarkeit. Wer jemals eine Flasche des berühmten Occhio di Pernice ersteht, kann sich glücklich schätzen.
Sehr viel Trinkgenuss bieten die Passito-Weine aus dem Trentino. Sie werden hier Vino Santo genannt. Das Niveau ist sogar einheitlicher und zuverlässiger. Leider haben diese finessenreichen Süßweine aus dem Valle dei Laghi, einem schmalen Tal, das sich westlich der Brennerautobahn zwischen Trento und Rovereto erstreckt, nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.
Lediglich eine Handvoll Winzer produzieren, ausschließlich aus der Nosiola-Traube, einer alten Trentiner Varietät, den Vino Santo Trentino DOC. Die vom sanften Wind des Gardasees getrockneten Trauben werden nach jahrhundertealter Tradition erst in der Karwoche gepresst. Dann beginnt die langsame Gärung, die sich über mehere Jahre hinziehen kann. Das Ergebnis sind begeisternd vielschichtige und ungemein frische Weine.
Sie beeindrucken durch ein intensives Aromenspiel aus reifen und getrockneten Früchten, insbesondere Quitten, Aprikosen und Orangenzesten. Hinzug gesellen sich Noten von Nüssen, Honig und Gewürzen. Die feine Säure verleiht den Weinen Frische und Eleganz.
Vino Santo passt hervorragend zu den typischen Trentiner Süßspeisen, zu Torta di Fregoloti und Apfelstrudel, aber ebenso zu Gorgonzola piccante, Stilton oder Blue D´Auvergne und Foie gras. Oder Du nutzt ihn in aller Stille als „vino da meditazione“ und lässt Dich für einen Moment davontragen.
Eine besondere Kategorie italienischer Passito-Weine ist der Recioto, eine Spezialität aus dem Veneto. Der wohl bekannteste Vertreter dieser Gattung ist der rote Recioto della Valpolicella, das süße Pendant des viel bekannteren und trocken ausgebauten Amarone.
Ob trocken oder süß, in beiden Fällen handelt es sich um ungemein mächtige Weine, die hauptsächlich aus der Rebsorte Corvina wenige Kilometer nördlich von Verona gekeltert werden. Süßer weißer Recioto entsteht ein wenig östlich des Valpolicella-Gebietes. Aus Garganega-Trauben keltern allerdings nur noch wenige Winzer rund um die Stadt Soave den Recioto di Soave.
Italien verfügt mit dem Moscato di Pantelleria, dem Malvasia delle Lipari und den friulanischen Passiti aus den Rebsorten Picolit und Verduzzo über weitere spannende Vertreter der Passito-Gattung.
Sehr interessant ist natürlich auch der Marsala aus der gleichnamigen Hafenstadt in Sizilien. Die Bereitung des Marsala einschließlich verschiedenster Sub-Varianten ist allerdings so speziell, dass es hierzu eines gesonderten Beitrags bedarf.
Wann immer Du einem dieser Weine begegnest, komm‘ zur Ruhe und genehmige Dir ein Gläschen. Es sind Delikatessen.
Nüsse, Rosinen, Mandel- und Honiggebäck, Crème Caramel, Cantuccini, Apfelkuchen, Pfefferkuchen, Blauschimmelkäse...
Einen ersten umfassenden Überblick bekommst du hier: Dessertweine - Arumente für eine Rehabilitierung
Einen Überblick über die fruchtsüßen Weine bekommst du hier: Fruchtsüße Weine
Wenn dich die edelsüßen Dessertweine interessieren, dann lies hie: Edelsüße Dessertweine
Avignonesi, Capezzana, Castelli di Cacchiano, Isole e Olena, Le Pupille, Pieve Santa Restituta, San Giusto a Rentennano, Selvapiana, Rocca di Montegrossi,
Gaiershof, Pravis, Pojer & Sandri, Cantina La Vis
Accordini, Begali, Bertani, Tommaso Bussola, Quintarelli, Sant’ Antonio
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Peter
Gitta Eckl-Reinisch
vielen Dank für diesen ungemein interessanten Artikel!
Deinen Empfehlungen (Pravis!) zum Vino Santo della Valle dei Laghi möchte ich noch die azienda agricola Gino Pedrotti (Pietramurata) hinzufügen, deren Vino Santo uns ebenfalls seit vielen Jahren überzeugt!
Ich freue mich schon auf Deine weiteren Enthüllungen zum Süßwein.
Wolfgang Staudt
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